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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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sorgen?
    »Bitte, lasst mich g… gehen. Mein M… Mund wird versiegelt sein. Ich sch… schwöre es bei allen 99 Namen Allahs!«
    Doch der Krieger schüttelte nur energisch den Kopf und legte die Hand an seinen Dolch. »Keine Widerrede. Du kommst mit uns. Genauer gesagt, mit Ammâr. Als Preis für dein Leben wirst du ihm dienen – solange, bis er dich gehen lässt. Und sei gehorsam, denn er ist ein strenger und jähzorniger Herr …«
    Beim Hinausgehen wandte er sich noch einmal um. »Da ist noch etwas, das du wissen solltest. Uthman hat einst Ammâr wegen Weintrinkens öffentlich auspeitschen lassen, bis ihm das Blut vom Rücken rann. Seitdem hasst er den Kalifen – und alle Mitglieder seiner Sippe, der Banu Omaya …«
    ***
    Die nächsten Tage vergingen in dem eintönigen Rhythmus der Karawane: Aufstehen bei Sonnenaufgang, Beladen der unwillig die Zähne fletschenden Kamele, in den Stunden der größten Mittagshitze Gerangel um die besten Rastplätze im Schatten von Felsen, anschließend der Weiterritt bis zum Einbruch der Dämmerung. Abends saßen alle um die flackernden Lagerfeuer, erzählten von Feldzügen gegen die Ungläubigen, von blutigen Schlachten und Siegen, die immer weiter von der Heimat entfernt erfochten wurden. Danach legten sie sich, in dicke Wolldecken gehüllt, eng zusammengerückt schlafen, um einander wenigstens etwas Schutz gegen die kalten Nachtwinde zu bieten.
    Anfangs wurde Daud von der ungewohnten schaukelnden Bewegung schwindlig, besonders wenn das Kamel, auf das er mit gefesselten Händen gehievt worden war, zuerst seine Hinterfüße hochstemmte, bevor es den Vorderkörper emporreckte. Doch mit der Zeit lernte er, seine Körperbewegungen denen des großen Tieres anzupassen und unter dem Kopftuch, das er wie alle gegen die Sonne trug, auf die ausgedörrte, staubige Landschaft zu achten, die an ihm vorbeizog. Am Morgen des dritten Tages löste ihm ein mürrisch dreinblickender Ammâr die Fesseln und schnauzte ihn an, dass nun Schluss sei mit der Faulenzerei.
    Jetzt begann ein harter Dienst: Daud musste die drei Kamele be- und entladen, um Wasser anstehen, falls ein Brunnen in der Nähe war, kochen, den ewigen Sand aus Decken und Kleidern schütteln und dabei stets ein Auge auf seinen Herrn haben, um ihm jederzeit den kleinsten Wunsch von den Augen ablesen zu können, damit es nicht Ohrfeigen oder Tritte setzte.
    Am Morgen des sechsten Tages erreichte ein atemloser Bote das Lager. Den heftigen Gebärden und wütenden Gesichtern der Männer nach zu urteilen, brachte er schlechte Nachrichten. Daud erfuhr bald, dass die nächste Oase al-Ula von einem größeren Trupp Soldaten besetzt war, die der syrische Statthalter Mu'âwija dem Kalifen zu Hilfe geschickt hatte, die aber zu spät gekommen und nun auf dem Heimweg waren.
    Schimpfend trieben die Ägypter ihre Kamele nach links, hinein in das Gewirr der gelbbraunen Sandsteinfelsen. Die nächsten Stunden schlängelte sich die Karawane einen ausgetretenen Pfad entlang, ohne die übliche Mittagsrast einzulegen. Endlich, kurz vor Einbruch der Dämmerung, erreichten sie einen weiten Talkessel. Zwischen Gruppen von Tamariskenbäumen ragten verstreut riesige Felsen auf, von denen manche Schildkröten glichen, während andere aussahen, als hätte ein Bäcker ungeheure Teigbatzen aufeinander gehäuft.
    Doch wenn sonst lebhaftes Stimmengewirr die Vorfreude auf den kommenden Rastplatz verriet, so legte sich jetzt bleiernes Schweigen über die Karawane. Nur das Wummern der Hufe und das Schnauben der Kamele war zu hören, als sich der langgestreckte Zug auf ein unbekanntes Ziel in der Ebene zu bewegte. Daud bemerkte mit wachsendem Unbehagen die zusammengekniffenen Lippen und die unruhigen Blicke der Männer, und als plötzlich einige Hundert Schritte vor ihnen eine wirbelnde Windhose über den Sand zog, sah er den Schrecken in den Gesichtern der Krieger, die in ihrem Leben gewiss mehr als einmal dem Tod ins Auge gesehen hatten.
    »Ein Dschinn«, murmelte der Reiter neben Daud, »Allah steh uns bei.«
    Als er den fragenden Blick des Jungen gewahrte, beugte er sich zu ihm hinüber und wies auf die Felsen, die versteinerten Ungeheuern gleich die Ebene bedeckten. »Dort liegt sie, die verfluchte Stadt.« Mit diesen geheimnisvollen Worten gab er seinem Kamel einen Schlag mit der Gerte, so dass es kurzzeitig in eine schnellere Gangart verfiel, und Daud keine Möglichkeit fand, weitere Fragen zu stellen.
    Den ganzen Tag schon hatten mehr und mehr weißliche

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