'Sie können aber gut Deutsch'
Markt, um ihre Zielgruppe. Schaut man sich nämlich die wissenschaftlichen Untersuchungen an, stellt man fest, dass sich das Medienverhalten der »Menschen mit Migrationshintergrund« kaum von dem der »Urdeutschen« unterscheidet. So brachte die Studie »Migranten und Medien 2011« der ARD/ZDF-Medienkommission die Erkenntnis, dass die Mehrheit der Migranten deutsche Medien nutzt, gerade das Bilder produzierende Fernsehen erreiche die Zuwanderer nicht weniger als die »Einheimischen«. Wollen die Medienerzeugnisse also ihren Marktanteil sowie ihren Gewinn behalten bzw. steigern, müssen sie darüber nachdenken, ob sie es sich wirklich leisten können, von einem großen Teil ihrer Kunden ein Bild zu zeichnen, das nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Die Tatsache, dass man in diesem Land das Thema Migranten immer in einem problematischen Licht sieht – von den Ausnahmen abgesehen, in denen die Migranten, ebenso unnötigerweise als alleskönnende Wunderkinder hochgehalten
werden –, ist zu einem großen Teil medienverschuldet. Das Bild der Randerscheinungen macht uns Angst, vermittelt uns das Gefühl, dass diesbezüglich viele Probleme existierten, die einer Lösung bedürften, ohne dass man sie fände. Und lässt vollkommen außer Acht, dass diese Probleme ein Minimalteil der tatsächlichen Wirklichkeit ausmachen. Dass Dinge, und Menschen erst recht, nicht schwarz-weiß, sondern grau, im besten Fall gar eine Farbmischung sind. Dass dieses Land sich schon sehr lange nicht nur aus »Urdeutschen« zusammensetzt, sondern aus Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kulturen und Religionen, dass wir uns – jeder auf seine eigene Weise – hier zuhause fühlen und dies ganz unproblematisch jeden langweiligen Tag aufs Neue beweisen. Dass wir schon längst ein Wir sind in unserem Deutschland, abgesehen von den Randerscheinungen, die uns in den Medien präsentiert werden. Dass dieses Wir am Rande der Gesellschaft Probleme hat, ist unbestritten, das ist allerdings nicht nur bei Migranten der Fall. Diese Randprobleme würden uns keine bzw. kaum Angst einjagen, würden nicht für Ressentiments und Ausgrenzungen auf allen Seiten sorgen, wenn wir bereit wären, die Realität zu sehen, so wie sie ist – und nicht so, wie sie im Fernsehen gezeigt wird.
Schaut man sich zum Beispiel die letzte große Integrationsdebatte an, die um Thilo Sarrazin, so fragt man sich zwangsläufig, ob es sie in dieser Form, in dieser Heftigkeit ohne Medien überhaupt hätte geben können. Hätte Der Spiegel, das deutsche Nachrichtenmagazin, nicht die verheerenden, von den Journalisten sorgfältig, weil medienwirksam, ausgesuchten und für einen Skandal als geeignet eingestuften Kapitel vorab gedruckt, hätte es die Debatte dann überhaupt gegeben? Wie viele der mehr als eine Million Buchkäufer hätten sich die Mühe gemacht, sich mit dem, seien wir mal ehrlich,
vom Inhalt ganz abgesehen, aufgrund der vielen Statistiken schwer lesbaren Buch auseinanderzusetzen, hätten die Medien nicht einige griffige Zitate herausgepickt und in Großbuchstaben abgedruckt, hätte sich nicht jeder Fernsehsender dieses Landes dazu bereit erklärt, den Autor ins Studio einzuladen? Das Buch wäre untergegangen in den ausufernden Bücherregalen der Buchhandlungen, so wie die meisten Bücher zu diesem Thema untergehen. Wären die Medien nicht auf den Generalangriff gegen Muslime eingegangen, hätten wir dann auch diese plötzliche, feindliche Stimmung im Land gespürt? Und hätten bedeutende Feuilletonisten wie Thea Dorn und Frank Schirrmacher nicht plötzlich in den wichtigsten Zeitungen dieses Landes seitenlang ihrer Empörung darüber Ausdruck gegeben, dass der arme Thilo Sarrazin (der arme Thilo Sarrazin mit den sagenhaft vielen verkauften Buchexemplaren und einer persönlichen Einladung in fast jedes Fernsehstudio zur besten Sendezeit) mundtot gemacht werden sollte, wäre die Debatte nicht viel schneller abgeebbt, anstatt so immer wieder neu entfacht zu werden?
»Danke fürs Mitmachen, aber uns hat soeben ein Bundesbankvorstandsmitglied daran erinnert, dass ihr Türken und Muslime seid, weshalb wir euch jetzt nicht mehr leiden können; könnt ihr nicht wieder zurück?«
Wie inhaltsgeführt kann eine Debatte sein, bei der eine Kanzlerin ein Buch kritisiert, ohne es gelesen zu haben? Sie musste sich dazu äußern, weil die Medien danach fragten, weil die Medien beschlossen hatten, dieses Buch zum Thema des Sommers zu machen. Es wurde vom Sommer- zum
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