"Sie koennen aber gut Deutsch!"
bestimmte Begrifflichkeiten einen »Makel« aufgestempelt bekommt, dann, davon bin ich überzeugt, steigt auch der Wunsch, zur Gesellschaft beizutragen, ein Teil von ihr zu sein. Weil man sicher sein kann: Mensch ist Mensch.
Was man so sieht, was man so hört
Wollen wir mal ein Assoziationsspiel ausprobieren? Sie schlieÃen die Augen und denken an nichts. Ich werde Ihnen Begriffe nennen. Bilder werden vor Ihrem inneren Auge auftauchen, wertfreie Bilder. Und Sie sagen mir ganz ehrlich, was Sie sehen. In Ordnung? Sind Sie soweit? Achtung, dann fangen wir mal an.
Ich sage: Migrant.
Jetzt sagen Sie mir, was Sie sehen. Oder warten Sie, lassen Sie mich raten! Ist es ein Mann mittleren Alters, mit einer eher dunklen Hautfarbe und einem Schnauzbart, der vor einem Dönerspieà steht? Oder ist es ein Mann mittleren Alters, mit einer eher dunklen Hautfarbe und einem Schnauzbart vor einer Obstauslage? Ist es vielleicht eine Frau mittleren Alters? Ebenfalls mit einer eher dunklen Hautfarbe, tendenziell vollschlank, die Haare von einem Tuch verhüllt? Ist es gar eine Horde von Frauen in langen, grauen Mänteln, alle mit Kopftuch versehen? Oder ist es jemand, der so aussieht, als würde er aus Afrika stammen? Hat einer von Ihnen vielleicht einen Menschen vor sich gesehen, dessen Gesichtszüge nicht südländisch, dessen Gesichtsfarbe nicht eher dunkel gewesen wären?
Ich tippe auf nein.
Und nein, ich führe Sie nicht vor. Ich führe auch mich selbst nicht vor, die ich konfrontiert mit dem Begriff Migrant dieselben Bilder vor Augen habe und mein Gehirn dann strengstens ermahne, die Bilder aus der Realität, nicht die aus den Medien hervorzuholen. Vor unserem inneren Auge taucht nichts anderes auf als das, was wir tagtäglich in unserer Umgebung
sehen, die Bilder, die uns vermittelt werden, in der Tagesschau , im Fernsehen allgemein, in der Zeitung. Auch drauÃen, unterwegs nehmen wir eher das wahr, was wir bereits über den Bildschirm flimmern sahen. Wir registrieren auch dort eher die Menschen als Migranten, die eine etwas dunklere Hautfarbe haben, und weniger die Franzosen, Schweden, Polen, Engländer, US-Amerikaner, die ebenso in unseren StraÃen unterwegs sind. Wir sehen das, was wir sehen sollen, und nein, das ist kein Verfolgungswahn à la George Orwell, es ist auch keine Hetze gegen die ach so bösen Medien, die an allem Schuld haben sollen. Es sind lediglich einige Beobachtungen sowie ein paar Gedanken, die dazu in meinem Kopf herumspuken.
Sieht man einen Migranten, einen Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien, dann gehört er immer, und ja, den Begriff habe ich bewusst gewählt â immer â einer der beiden Kategorien an: Entweder ist er ein so genannter Integrationsunwilliger, einer, der sich nicht integrieren mag, einer, der kein Deutsch spricht oder höchstens ein paar Brocken (man möchte ihn schlieÃlich im Fernsehen auch mit einem O-Ton, aber auch nicht mehr, zu Wort kommen lassen), der gerne dabei gezeigt wird, wie er gerade eine Moschee betritt, sich zuvor die Schuhe auszieht und sie fein säuberlich neben die vielen, vielen anderen Paare stellt. Die Botschaft ist klar: Es gibt viele (zu viele) wie ihn. Ihn? Mindestens genauso häufig, wenn nicht gar öfter, sieht man in dieser Kategorie eine Sie. Eine Sie ist ein schöner Anblick, und gerade Fernsehjournalisten denken bekanntermaÃen gern in Bildern, weil eine Sie in dieser Kategorie meist mit einem Kopftuch zu zeigen ist â das Kopftuch, ein schönes Bild, ein schönes Symbol. Mit ein wenig Glück kann man die Frau auch umringt von vielen spielenden Kindern präsentieren, die ebenfalls eine eher dunkle Hautfarbe
und deutlich südländische Gesichtszüge haben, ohne dass man im Off direkt aussprechen muss, wie gebärfreudig Migrantinnen, zumal diejenigen türkischer Abstammung, sind. Das ist die eine Kategorie, die näher zu beschreiben ich mir nun nicht die Mühe machen werde, weil wir sie alle kennen, haben wir diese Bilder doch schon des Ãfteren, zuletzt wahrscheinlich gestern oder vorgestern im Fernsehen, gesehen.
Oder â und das ist die andere Kategorie â er gehört zu den so genannten Vorzeigeausländern, zu denen, die sich integriert haben, sich eigentlich assimiliert haben, was wir aber nicht so nennen (dürfen), weshalb wir uns daran erfreuen, dass es auch »welche« gibt, die sich sehr erfolgreich
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