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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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keine Wahl hatten. Im Prinzip war das ihre einzige Spur zu Adam.
    Mike sagte: »Eigentlich interessiert mich nicht, was Sie hier machen, sondern nur, in welcher Beziehung mein Sohn dazu steht. Wissen Sie, wo er ist?«
    »Nein.«
    »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
    Sie sah ihn mit ihren rehbraunen Augen an. Er wusste nicht, ob sie ihn mit diesen Blicken bearbeiten wollte, aber es war ihm auch egal. Er brauchte Antworten. Wenn es half, war er gerne bereit, bei dem Spielchen mitzumachen.
    »Gestern Abend.«
    »Wo genau?«

    »Unten im Club.«
    »War er zum Feiern hier?«
    Rosemary lächelte. »Ich glaub nicht.«
    Er beließ es dabei. »Sie haben im Chat mit ihm gesprochen, stimmt’s? Sie sind CeeJay8115.«
    Sie antwortete nicht.
    »Sie haben Adam gesagt, dass er den Mund halten soll, dann hätten sie alles im Griff. Und er hat geantwortet, dass Spencer Hills Mutter ihn abgefangen hat, stimmt’s?«
    Sie hatte die Beine immer noch auf dem Stuhl. Jetzt umschlang sie ihre Knie. »Woher wissen Sie, was Ihr Sohn anderen in einem privaten Chat sagt, Dr. Baye?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    »Wie sind Sie ihm gestern Abend zum Club Jaguar gefolgt?«
    Mike sagte nichts.
    »Sind Sie sicher, dass Sie das auf diese Art durchziehen wollen?«, fragte sie.
    »Im Moment sehe ich keine andere Möglichkeit.«
    Sie sah ihm über die Schulter. Mike drehte sich um. Carson, der Grufti mit der gebrochenen Nase, starrte durch die Scheibe. Mike sah ihm direkt in die Augen und wartete ruhig. Nach ein paar Sekunden wandte Carson den Blick ab und verschwand.
    »Das sind doch nur Jungs«, sagte Mike.
    »Nein, sind sie nicht.«
    Er ließ es sacken: »Sprechen Sie mit mir.«
    Rosemary lehnte sich zurück. »Unterhalten wir uns doch mal ganz hypothetisch, okay?«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Das meine ich. Sagen wir, Sie wären ein Mädchen aus einer Kleinstadt. Ihr Bruder ist an einer Überdosis gestorben.«
    »Die Polizei ist da anderer Ansicht. Die meinen, es gibt keine Hinweise, dass das passiert ist.«
    Sie grinste. »Hat das FBI Ihnen das erzählt?«

    »Sie haben gesagt, dass sie nichts finden, was diese Behauptung untermauert.«
    »Das liegt daran, dass ich ein paar Fakten verändert habe.«
    »Welche Fakten?«
    »Den Namen der Stadt und den Namen des Bundesstaats.«
    »Warum?«
    »Der Hauptgrund ist, dass ich an dem Abend, an dem mein Bruder gestorben ist, wegen Drogenbesitzes und versuchten Drogenhandels festgenommen wurde.« Sie sah ihm in die Augen. »Genau. Ich habe meinem Bruder die Drogen besorgt. Ich war sein Dealer. Diesen Teil der Geschichte unterschlage ich normalerweise. Die Leute neigen sonst dazu, mich zu verurteilen.«
    »Erzählen Sie weiter.«
    »Also habe ich den Club Jaguar gegründet. Meine Philosophie habe ich Ihnen schon erklärt. Ich wollte einen sicheren Ort schaffen, an dem Kids feiern und sich gehen lassen können. Ich wollte, dass sie ihren natürlichen Drang zur Rebellion in einer geschützten Umgebung ausleben konnten.«
    »Okay.«
    »Und so hat das Ganze auch angefangen. Ich hab mir den Arsch aufgerissen und genug Geld zusammengekratzt, um den Laden in Gang zu bringen. Es hat nicht einmal ein Jahr gedauert bis zur Eröffnung. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer das war.«
    »Das kann ich schon, aber es interessiert mich eigentlich nicht. Wie wär’s, wenn wir den Film bis zu der Stelle vorspulen, wo Sie Rezeptblöcke geklaut und Pharm-Partys veranstaltet haben?«
    Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »So war das nicht.«
    »Mhm.«
    »Ich hab heute in der Zeitung was über eine Frau gelesen, die als Freiwillige für ihre Kirchengemeinde tätig war. In den letzten fünf Jahren hat sie sich achtundzwanzigtausend Dollar aus dem Klingelbeutel genommen. Haben Sie den Artikel auch gelesen?«
    »Nein.«

    »Aber Sie kennen diese Geschichten doch, oder? Es gibt unzählige solche Fälle. Der Mann, der für eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitet, davon Geld abschöpft und sich einen Luxuswagen kauft  – glauben Sie, dass er einfach irgendwann aufgewacht ist und sich überlegt hat, dass er das machen will?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Diese Kirchenfrau. Ich würde wetten, dass das auch bei ihr so gelaufen ist. Irgendwann hat sie das Geld im Klingelbeutel gezählt, ist dafür vielleicht sogar noch ein bisschen länger geblieben, und vielleicht ist dann ihr Auto nicht angesprungen, und sie wusste nicht, wie sie nach Hause kommt. Es ist auch schon dunkel draußen. Also hat sie sich ein Taxi

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