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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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zerschlagen wie eine Eierschale! Ihr wunderschöner Körper in der Gosse! Entsorgt wie lästiger Abfall!
    Wie ging so etwas verloren? Wenn man so unglaublich verliebt war  – wenn man jede Sekunde mit einem anderen Menschen verbringen wollte und einfach alles, was dieser Mensch tat, großartig und faszinierend fand? Wie um alles in der Welt konnte das dann verschwinden?
    Guy hatte aufgehört, sich die Schuld zu geben. Er trank seinen Whiskey aus, erhob sich leicht schwankend und schenkte sich
noch einen ein. Marianne hatte sich für dieses Leben entschieden  – und am Ende war sie daran gestorben.
    Du blödes Miststück.
    Was hast du da draußen gesucht, Marianne? Wir hatten uns hier etwas aufgebaut. Diese schmuddeligen Nächte in irgendwelchen Bars? Von einem Bett ins nächste zu hüpfen  – was hat dir das gebracht? Du warst die einzige Frau, die ich je wirklich geliebt habe. Hast du Erfüllung darin gefunden ? Freude? Irgendetwas anderes als eine einzige große Leere? Du hast eine wundervolle Tochter gehabt, einen Ehemann, der dich verehrt, ein Zuhause, Freunde, Bekannte, ein Leben  – warum hat dir das nicht gereicht?
    Du verdammtes, blödes Miststück.
    Er ließ den Kopf in den Nacken sinken. Die breiige Masse, die von ihrem hübschen Gesicht übrig geblieben war – dieses Bild würde ihm nie mehr aus dem Kopf gehen. Es würde ihn sein Leben lang begleiten. Vielleicht konnte er es beiseiteschieben, in ein verschlossenes Fach in die hinterste Gehirnecke verbannen, aber selbst da würde es nachts herauskommen und ihn verfolgen. Das war nicht fair. Er war ein guter Mann gewesen. Marianne war die, die beschlossen hatte, ihr Leben zu einer zerstörerischen Suche nach einem unerreichbaren Nirwana zu machen  – und das war nicht nur selbst zerstörerisch gewesen, denn am Ende hatte es viele Opfer gefordert.
    Er saß im Dunkeln und probte, was er Yasmin gleich sagen würde. Mach es schlicht, dachte er. Ihre Mutter war tot. Erzähl ihr nicht, wie sie gestorben ist. Aber Yasmin war neugierig. Sie würde die Einzelheiten wissen wollen. Sie würde ins Internet gehen und Mariannes Foto finden. Oder sie erfuhr es von einer Schulfreundin. Noch so ein elterliches Dilemma. Sagte man die Wahrheit oder versuchte man, die Kinder zu schützen? In diesem Fall konnte er sie nicht beschützen. In Zeiten des Internets gab es bei so etwas keine Geheimnisse mehr. Also musste er ihr alles erzählen.

    Aber ganz allmählich. Nicht alles auf einmal. Fang ganz einfach an.
    Guy schloss die Augen. Er hörte nichts, war nicht vorgewarnt, als sich die Hand über seinen Mund legte und er die Klinge eines Messers am Hals spürte, die sich in seine Haut bohrte.
    »Psst«, flüsterte ihm eine Stimme ins Ohr. »Nicht schreien, sonst muss ich die Mädchen umbringen.«

    Susan Loriman saß allein im Garten hinter ihrem Haus.
    Der Garten sah gut aus dieses Jahr. Dante und sie arbeiteten viel daran, obwohl sie nur selten die Früchte ihrer Arbeit genossen. Sie hatte immer wieder versucht, zwischen den Pflanzen und Tieren Entspannung zu finden, konnte jedoch ihren kritischen Blick nicht abschalten. Hier ging eine Pflanze ein, eine andere musste beschnitten werden und noch eine andere blühte nicht so wunderbar wie im letzten Jahr. Heute blendete sie das alles aus und versuchte, eins zu werden mit der Natur.
    »Schatz?«
    Sie schaute weiter in den Garten. Dante stellte sich hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Wir finden einen Spender.«
    »Ich weiß.«
    »Wir geben nicht auf. Wir fragen alle, die wir kennen, ob sie eine Blutprobe abgeben. Wenn nötig, bettle ich darum. Ich weiß, dass du keine so große Familie hast, ich hab die aber. Die lassen sich alle testen, das verspreche ich dir.«
    Sie nickte.
    Blut, dachte sie. Das Blut spielte überhaupt keine Rolle, Dante war Lucas’ richtiger Vater.
    Sie fummelte am goldenen Kreuz herum, das sie um den Hals
trug. Sie musste ihm die Wahrheit sagen. Aber sie lebten diese Lüge schon so lange. Nach der Vergewaltigung hatte sie so oft wie möglich mit Dante geschlafen. Warum? Hatte sie es geahnt? Als Lucas dann geboren wurde, war sie sich sicher gewesen, dass er von Dante war. Die Chancen waren einfach viel größer. Die Vergewaltigung war ein einmaliges Ereignis gewesen. Mit ihrem Mann hatte sie in dem Monat sehr oft geschlafen. Am Aussehen ließ sich nichts erkennen, Lucas sah keinem der beiden Männer ähnlich, er kam eindeutig

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