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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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gehabt, zu einem von Mikes Eishockeyspielen in der Kinderliga mitzukommen. Das war einfach so. Männer wie er taten so etwas damals einfach nicht. Er interessierte sich für alles, was sein Sohn machte, fragte immer wieder danach und wollte über jede Einzelheit Bescheid wissen, aber die langen Arbeitstage ließen ihm keine Zeit für irgendwelche Freizeitaktivitäten und schon gar nicht fürs Rumsitzen und Zugucken. Das eine Mal, als er dann doch gekommen war  – zu einem Spiel unter freiem Himmel als Mike neun Jahre alt war  –, hatte
er sich von der Arbeit erschöpft an einen Baum gelehnt und war in dieser Stellung eingeschlafen. Und selbst dabei hatte Antal noch die weiße Schürze mit den Fettflecken von den Frühstücks-Sandwiches getragen.
    So sah Mike seinen Vater immer noch, hinterm Tresen in seiner weißen Schürze, während er Kindern Süßigkeiten verkaufte, nach Ladendieben Ausschau hielt oder schnell ein paar Sandwiches oder Burger zubereitete.
    Als Mike zwölf war, hatte sein Vater versucht, ein Gangmitglied aus der Umgebung von einem Ladendiebstahl abzuhalten. Der Jugendliche hatte seinen Vater erschossen. Einfach so.
    Die Imbissstube wurde zwangsversteigert. Mom ertränkte ihre Trauer in Alkohol und hörte damit erst wieder auf, als der Alzheimer ihr Gehirn so weit durchlöchert hatte, dass es nicht mehr darauf ankam. Sie lebte jetzt in einem Altersheim in Caldwell. Mike besuchte sie einmal im Monat. Seine Mutter hatte keine Ahnung, wer er war. Manchmal nannte sie ihn Antal und fragte, ob sie den Kartoffelsalat für den mittäglichen Ansturm der Gäste machen sollte.
    So war das Leben. Man traf schwierige Entscheidungen, ließ die Heimat und alles, was man liebte, zurück, gab sein bisheriges Leben auf, fuhr um die halbe Welt in ein fremdes Land, baute sich ein neues Leben auf  – und dann drückte so ein wertloser Haufen Abschaum einfach ab und setzte dem allen ein Ende.
    Dieser frühe Zorn war das zentrale Element im Leben des jungen Mike gewesen. So etwas konnte man verarbeiten, indem man sich zurückzog und alles in sich hineinfraß oder indem man dagegen anging. Mike ging dagegen an. Er wurde ein besserer Eishockeyspieler und ein besserer Schüler. Er lernte intensiv, trainierte hart und sorgte dafür, dass er immer etwas zu tun hatte, denn wenn man beschäftigt war, dachte man nicht an das, was hätte werden können.
    Die Landkarte erschien auf dem Monitor. Dieses Mal blinkte
der rote Marker. Aus der Anleitung auf der Internetseite wusste Mike, dass das Zielobjekt sich in dem Fall relativ zügig bewegte  – vermutlich in einem Auto. Ein GPS-Locator brauchte ziemlich viel Strom. Daher sendete er nicht konstant, sondern nur alle drei Minuten ein kurzes Signal. Wenn die betreffende Person sich mehr als fünf Minuten am gleichen Ort aufhielt, schaltete das GPS sich ab und wurde erst bei einer Bewegung wieder aktiviert.
    Sein Sohn überquerte den Hudson auf der George Washington Bridge.
    Warum machte Adam das?
    Mike wartete. Adam saß offensichtlich in einem Auto. Wessen? Mike beobachtete, wie der rote Punkt über den Cross Bronx Expressway und den Major Deegan Expressway in die Bronx wanderte. Wo wollte er hin? Mike verstand das nicht. Zwanzig Minuten später schien der Punkt in der Tower Street zum Stehen zu kommen. In der Gegend kannte Mike sich absolut nicht aus.
    Und jetzt?
    Hier bleiben und den roten Punkt beobachten? Das brachte eigentlich nichts. Aber wenn er ihm hinterherfuhr und versuchte, Adam dort zu finden, konnte der schon längst wieder weg sein.
    Mike starrte auf den roten Punkt.
    Er klickte auf das Symbol, das ihm die nächstgelegene Adresse nannte. Sie lautete Tower Street 128. Er klickte auf den Link zu dieser Adresse. Es war ein Wohnhaus. Er schaltete auf Satellitenfoto. Da wurde der Kartenausschnitt genau so angezeigt, wie es bezeichnet war  – als Satellitenfoto von oben. Es war nichts zu erkennen  – nur Häuserdächer in einer Stadtstraße. Er klickte ein paar Häuser in der Umgebung an, da erschien aber auch nichts Erhellendes.
    Wen oder was besuchte Adam da?
    Er fragte nach der Telefonnummer für die Tower Street 128. Es war ein Mietshaus, also gab es keine. Er brauchte die Nummer eines Apartments.

    Und jetzt?
    Er rief Mapquest auf. Die Startadresse hieß einfach HOME. Es war so ein schlichtes Wort, trotzdem schien jetzt etwas Herzliches und Persönliches von ihm auszugehen. Auf dem Ausdruck stand, dass man 49 Minuten brauchte, um mit dem Auto dahin zu

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