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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Es ist nicht Dante.«
    Susan Loriman schloss die Augen.
    »O Gott«, sagte sie. »Das ist doch unmöglich.«
    »Es ist so.«
    »Seid ihr sicher?«
    »Ja. Du hast es nicht gewusst?«
    Sie sagte nichts.
    »Susan?«
    »Erzählt ihr das Dante?«
    Mike überlegte, was er sagen sollte. »Ich glaube nicht.«
    »Du glaubst es?«
    »Wir denken noch über die ethischen und rechtlichen Implikationen nach …«
    »Ihr dürft es ihm nicht sagen. Sonst dreht er durch.«
    Mike brach ab und wartete.
    »Er liebt den Jungen. Das dürft ihr ihm nicht nehmen.«
    »Unser wichtigstes Anliegen ist Lucas’ Wohlergehen.«
    »Meint ihr, es hilft Lucas, wenn ihr Dante erzählt, dass er nicht Lucas’ richtiger Vater ist?«
    »Nein, aber pass mal auf, Susan. Es geht hier in erster Linie um Lucas’ Gesundheit. Die kommt bei uns an erster, zweiter und dritter Stelle. Alle anderen Probleme müssen dahinter zurückstehen. Im Moment heißt das, dass wir den bestmöglichen Spender für die Transplantation suchen. Ich sag das also nicht, weil ich meine Nase da reinstecken oder eure Familie zerstören will. Ich sage das als Arzt, der das Beste für seinen Patienten will. Und daher müssen wir den leiblichen Vater testen lassen.«

    Sie senkte den Kopf. Ihre Augen waren feucht. Sie biss sich auf die Unterlippe.
    »Susan?«
    »Ich muss darüber nachdenken«, sagte sie.
    Normalerweise hätte er sie jetzt unter Druck gesetzt, aber im Moment gab es dafür keinen Grund. Heute Nacht würde nichts mehr passieren, außerdem musste er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. »Wir müssen den Vater testen.«
    »Lass mich einfach darüber nachdenken, okay?«
    »Okay.«
    Sie sah ihn mit traurigem Blick an. »Sag Dante nichts davon. Bitte, Mike.«
    Sie wartete keine Antwort ab, drehte sich nur um und ging. Mike schloss die Tür und machte sich wieder auf den Weg nach oben. Susan hatte ein paar harte Wochen hinter sich. » Mrs Loriman, Ihr Sohn leidet an einer tödlichen Krankheit und braucht eine Transplantation. Ach, und Ihr Mann wird übrigens demnächst rauskriegen, dass sein vermeintlicher Sohn gar nicht von ihm ist. Was gibt’s sonst noch Neues? Ach ja, wir fahren nach Disneyland!«
    Es war extrem still im Haus. Mike war das nicht gewohnt. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zum letzten Mal ganz allein im Haus war  – ohne die Kinder, ohne Tia  –, konnte es aber nicht sagen. Er war zwischendurch gern mal allein. Bei Tia war das anders. Sie brauchte immer jemanden um sich. Sie war in einer großen Familie aufgewachsen und konnte das Alleinsein nicht ausstehen. Mike genoss es normalerweise.
    Er setzte sich wieder an den Computer und klickte auf das Symbol. Er fügte ein Lesezeichen für die GPS-Website ein. Der Browser hatte den Benutzernamen gespeichert, das Passwort musste er jedoch neu eingeben. Das tat er. Eine Stimme in seinem Kopf schrie, dass er aufhören sollte. Adam musste sein eigenes Leben führen. Er musste seine eigenen Fehler machen und daraus lernen.

    War er überfürsorglich, weil er etwas aus seiner eigenen Kindheit kompensieren musste?
    Mikes Vater hatte nie Zeit für ihn gehabt. Dafür konnte er natürlich nichts. Er war aus Ungarn eingewandert  – als Flüchtling nach der Niederschlagung des Volksaufstands durch die Rote Armee 1956. Als er auf Ellis Island angekommen war, hatte Antal Baye  – der Name wurde Bye ausgesprochen, nicht Baye, und war offenbar französischen Ursprungs, obwohl es niemandem gelungen war, den Stammbaum so weit zurückverfolgen  – kein Wort Englisch gesprochen. Er hatte als Tellerwäscher gearbeitet, bis er genug zusammengespart hatte, um eine kleine Imbissstube am MacCarter Highway in Newark zu eröffnen. Da hatte er sich dann sieben Tage die Woche den Arsch aufgerissen und den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdient.
    Der Imbiss war zu den drei Mahlzeiten am Tag geöffnet, es gab Comichefte und Baseballsammelkarten, Zeitungen und Zeitschriften, Zigarren und Zigaretten. Lotterielose brachten auch viel ein, wobei Antal sie aber gar nicht gerne verkaufte. Er fand, dass er damit der Gesellschaft einen Bärendienst erwies, weil er seine Kunden dazu ermunterte, ihr hart erarbeitetes Geld für einen verlogenen Traum zum Fenster rauszuwerfen. Mit Zigaretten hatte er keine Probleme  – das konnte jeder selbst entscheiden, und die Leute wussten, was sie bekamen. Aber er wollte einfach keine falschen Träume von leicht verdientem Geld verkaufen.
    Sein Vater hatte nie die Zeit

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