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Cordovas Verschwinden auf, ließ ihre Theorien aber erst mal außen vor. Er sah sie an und nickte langsam.
»Soll ich raten?«, sagte Cope. »Sie glauben, dass irgendeine Verbindung zwischen dieser Reba Cordova und Ihrer Unbekannten besteht.«
»Genau.«
»Und wie soll die aussehen? Ein Serienmörder?«
»Schon möglich, aber Serienmörder arbeiten meistens allein. In diesem Fall war noch eine Frau beteiligt.«
»Okay, dann erzählen Sie mir doch mal, warum Sie eine Verbindung zwischen diesen beiden Fällen sehen.«
»Erstens der Modus Operandi.«
»Zwei weiße Frauen in ungefähr dem gleichen Alter«, sagte Cope. »Eine wird wie eine Prostituierte bekleidet am Straßenstrich in Newark gefunden. Die andere, tja, da wissen wir nicht, wo sie ist.«
»Das gehört auch dazu, aber mir ist vor allem ein Punkt ins Auge gefallen: Der Versuch, uns abzulenken und zu täuschen.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Wir haben es mit zwei wohlhabenden Frauen zu tun, beide Anfang vierzig, und beide sind innerhalb von vierundzwanzig Stunden verschwunden. Das sind seltsame Parallelen. Es geht aber weiter: Wir wissen, dass die Täter im ersten Fall, also bei unserer Unbekannten, einen ziemlich großen Aufwand getrieben haben, um uns in die Irre zu führen, richtig?«
»Richtig.«
»Tja, und bei Reba Cordova haben sie das Gleiche gemacht.«
»Indem sie den Wagen bei einem Hotel geparkt haben.«
Sie nickte. »In beiden Fällen haben die Täter versucht, uns mit irreführenden Hinweisen auf die falsche Fährte zu locken. Bei der Unbekannten haben sie es so eingerichtet, dass wir sie für eine Hure halten. Bei Reba Cordova haben sie es so dargestellt, als ob sie ihren Mann erst betrogen hätte und dann mit ihrem Liebhaber durchgebrannt wäre.«
»Äh.« Cope verzog das Gesicht. »Das ist aber ziemlich dünn.«
»Ja, aber besser als gar nichts. Ohne rassistisch werden zu wollen, aber wie oft brennt eine attraktive Ehefrau und Mutter aus einem Vorort wie Livingston einfach Hals über Kopf mit ihrem Liebhaber durch?«
»Das kommt schon mal vor.«
»Natürlich, aber dann hätte sie es besser geplant, oder? Sie wäre nicht erst zur Shopping-Mall gefahren, weil ihre Tochter in der
Nähe Schlittschuhunterricht hat, um Kinderunterwäsche zu kaufen, und die dann, na ja – wegzuwerfen und zu ihrem Liebhaber zu fahren? Und dann ist da noch dieser Zeuge, ein Stephen Errico, der gesehen hat, dass sie beim Target in einen Lieferwagen gestiegen ist. Und dass hinterher eine andere Frau im Acura weggefahren ist.«
»Und das ist wirklich so passiert?«
»Ja.«
»Okay, aber trotzdem. Welche Verbindungen sehen Sie noch zwischen Reba Cordova und Ihrer Unbekannten?«
Muse zog eine Augenbraue hoch. »Das Beste hab ich mir für den Schluss aufgehoben.«
»Gott sei Dank.«
»Kommen wir wieder zurück auf Stephen Errico.«
»Den Zeugen in der Mall?«
»Genau. Errico hat seinen Bericht abgegeben. So für sich genommen klingt das nach nichts – das soll jetzt kein Vorwurf an den Sicherheitsdienst vom Palisades sein. Aber ich habe seinen Namen im Internet recherchiert. Er hat ein eigenes Blog, in dem er auch ein Foto von sich hat. Er ist groß, kräftig gebaut, hat einen buschigen Bart und trägt ein Grateful-Dead-T-Shirt. Als ich mit ihm gesprochen habe, ist mir außerdem aufgefallen, dass er auf Verschwörungstheorien steht. Außerdem möchte Errico möglichst an allem teilhaben, was um ihn herum passiert. Sie kennen solche Typen – wenn er in die Mall geht, hofft er, dass er einen Ladendieb sieht.«
»Okay.«
»Aber genau dadurch ist er ein guter Beobachter und kann extrem präzise Aussagen machen. Errico sagte also, er hätte gesehen, dass eine Frau, auf die Reba Cordovas Beschreibung passt, in einen weißen Chevrolet-Lieferwagen eingestiegen ist. Und er hat sich doch tatsächlich das Kennzeichen des Lieferwagens aufgeschrieben.«
»Und?«
»Ich hab das überprüft. Es gehört einer Helen Kasner aus Scarsdale, New York.«
»Besitzt sie einen weißen Lieferwagen?«
»Ja, und sie war gestern in der Palisades Mall .«
Cope nickte. Er wusste, worauf sie hinauswollte. »Also vermuten sie, dass jemand Ms Kasners Nummernschilder ausgetauscht hat?«
»Genau. Ein uralter Trick, aber trotzdem sehr effektiv – erst klaut man sich einen Wagen, um damit ein Verbrechen zu begehen, dann tauscht man noch die Kennzeichen aus, falls der Diebstahl zu schnell bemerkt wird. Das ist noch ein Täuschungsmanöver. Viele Täter wissen
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