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tat, als ob sie extrem scharf auf Jungs wäre. Also hing an einer Wand ein Poster von Zac Efron, dem Hauptdarsteller aus den Highschool-Musical -Filmen, an der anderen eins von den Sprouse-Zwillingen aus der Fernsehserie Hotel Zack und Cody. Dann noch eins von Miley Cyrus in Hannah Montana – okay, das war ein Mädchen, kein heißer Bursche, trotzdem wirkte das Ganze ziemlich krampfig.
Yasmins Bett stand an der Tür, Jill schlief am Fenster. Beide Betten lagen voller Plüschtiere. Yasmin hatte Jill einmal erzählt, das Beste an der Scheidung wäre der Wettkampf im Verwöhnen – weil beide Eltern versuchten, den anderen durch immer größere Geschenke auszustechen. Yasmin sah ihre Mutter nur vier- bis fünfmal im Jahr, aber sie schickte dauernd irgendwelche Sachen. So war sie zu zwanzig Build-A-Bear -Teddys gekommen, von denen einer wie ein Cheerleader und ein anderer, der seinen Platz direkt neben Jills Kissen hatte, wie eine Popsängerin mit Strassshorts, rückenfreiem Oberteil und einem Kopfbügelmikrofon vor dem Pelzgesicht gekleidet war. Ein Riesenhaufen Webkinz -Plüschtiere, darunter allein drei Nilpferde, lagen auf dem Fußboden. Alte
Ausgaben vom J14 -Magazin, Teen People und Popstar stapelten sich auf dem Nachttisch. Außerdem war der Fußboden mit einem von diesen Langflorteppichen bedeckt, die, wie ihre Eltern ihr erzählt hatten, spätestens in den Siebzigern aus der Mode gekommen waren, jetzt aber offenbar in Teenager-Schlafzimmern ein unerwartetes Comeback feierten. Auf dem Schreibtisch stand ein brandneuer iMac.
Yasmin kannte sich mit Computern gut aus. Genauso wie Jill.
Jill richtete sich im Bett auf. Yasmin sah sie blinzelnd an. Aus der Ferne hörte Jill eine knurrige Stimme am Telefon. Mr Novak. Der Homer-Simpson-Wecker auf dem Nachttisch zwischen ihnen zeigte Viertel nach sieben an.
Ziemlich früh für einen Anruf, dachte Jill. Besonders am Wochenende.
Die Mädchen waren gestern Abend lange wach geblieben. Zuerst waren sie mit Mr Novak und seiner nervigen neuen Freundin Beth zum Abendessen und hinterher in einem Eiscafé gewesen. Beth war ungefähr zweiundvierzig Jahre alt und lachte über alles, was Mr Novak sagte, wie, na ja, wie die nervigen Klassenkameradinnen das auch immer machten, um den Jungs zu gefallen. Jill war davon ausgegangen, dass man da irgendwann rauswuchs. Da hatte sie sich wohl getäuscht.
Yasmin hatte einen Plasmafernseher in ihrem Zimmer. Sie durften so viele Filme gucken, wie sie wollten. »Ist doch schließlich Wochenende«, hatte er mit einem breiten Lächeln gesagt. »Viel Spaß.« Also hatten sie sich etwas Popcorn in der Mikrowelle gemacht und einen Film geguckt, der erst ab dreizehn in Begleitung Erwachsener und sogar einen, der erst ab siebzehn war – Jills Eltern wären wahrscheinlich ausgeflippt, wenn sie das gewusst hätten.
Jill stand auf. Sie musste pinkeln, im Moment dachte sie aber daran, was gestern Abend zu Hause passiert war und ob ihr Vater Adam aufgetrieben hatte. Sie machte sich Sorgen. Sie hatte
auch schon versucht, Adam auf dem Handy zu erreichen. Dass er einen Bogen um Mom und Dad machte war schon in Ordnung, das konnte sie verstehen. Aber sie hätte es nie für möglich gehalten, dass er nicht auf die Anrufe und Nachrichten seiner kleinen Schwester reagierte. Sonst hatte Adam sich immer bei ihr gemeldet.
Dieses Mal nicht.
Und das bereitete Jill noch mehr Sorgen.
Sie sah auf ihrem Handy nach.
»Wonach guckst du?«, fragte Yasmin.
»Ich wollte nur wissen, ob Adam angerufen hat.«
»Und?«
»Nee. Nichts.«
Yasmin schwieg.
Es klopfte leise an der Tür, dann wurde sie geöffnet. Mr Novak steckte den Kopf ins Zimmer und flüsterte: »Hey, warum seid ihr schon wach?«
»Das Telefon hat uns geweckt«, sagte Yasmin.
»Wer war das?«, fragte Jill.
Mr Novak sah sie an. »Deine Mutter.«
Jill erstarrte. »Was ist los?«
»Gar nichts, meine Kleine«, sagte Mr Novak, und Jill merkte sofort, dass das eine Lüge war. »Sie wollte nur wissen, ob wir dich heute noch hierbehalten können. Ich hab gedacht, wir könnten nachher in die Mall oder vielleicht ins Kino gehen. Was haltet ihr davon?«
»Warum soll ich hierbleiben?«, fragte Jill.
»Das weiß ich nicht, meine Kleine. Sie hat gesagt, dass etwas dazwischengekommen ist, und mich darum gebeten. Aber ich soll dir sagen, dass sie dich liebhat und alles in Ordnung ist.«
Jill sagte nichts. Er log. Das wusste sie. Und Yasmin wusste es auch. Die beiden Mädchen sahen sich an. Nachzuhaken
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