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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Bodychecks einzuschüchtern, womit sie jedoch oft nur das Gegenteil erreicht hatten. Wenn er richtig einen mitbekam, rief das meistens eine Art Jetzt-erst-recht-Haltung hervor.
    Er war davon ausgegangen, dass in der Wache nichts los war. Er war erst einmal da gewesen, um sich die Genehmigung zu holen, den Wagen über Nacht auf der Straße zu lassen. Die Stadt hatte eine Verordnung erlassen, derzufolge es verboten war, nach zwei Uhr Nachts auf der Straße zu parken, sie erneuerten aber gerade die Einfahrt, also brauchte er eine auf eine Woche befristete Genehmigung. Damals hatte nur ein Polizist an der Rezeption gesessen, und die anderen Schreibtische waren leer gewesen.
    Heute waren mindestens fünfzehn Polizisten im Revier, die alle sehr geschäftig wirkten.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Der uniformierte Beamte wirkte zu jung für seinen Job an der
Rezeption. Vielleicht war aber auch das nur wieder ein Beispiel dafür, wie sehr das Fernsehen unsere Sicht auf die Welt formte, jedenfalls erwartete man an dieser Stelle immer einen ergrauten Veteranen, wie den Typen aus Polizeirevier Hill Street, der am Ende jeder Dienstbesprechung sagte: »Und seid vorsichtig da draußen.« Der Beamte vor ihm sah aus wie zwölf. Außerdem sah er Mike mit unverhohlener Überraschung an und deutete auf sein Gesicht.
    »Sind Sie deshalb hier?«
    »Nein«, sagte Mike. Die anderen Polizisten bewegten sich schneller. Sie reichten sich Ordner, unterhielten sich oder klemmten sich Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter.
    »Ich möchte Officer Huff sprechen.«
    »Meinen Sie Captain Huff?«
    »Ja.«
    »Darf ich fragen, worum es geht?«
    »Sagen Sie ihm, dass Mike Baye hier ist.«
    »Wie Sie sehen, sind wir gerade sehr beschäftigt.«
    »Das ist mir auch aufgefallen«, sagte Mike. »Ist irgendwas passiert?«
    Der junge Polizist musterte Mike mit einem Blick, der eindeutig besagte, dass das Mike nichts anginge. Mike schnappte noch ein paar Gesprächsfetzen über einen beim Ramada Hotel geparkten Wagen auf, weiter erfuhr er aber nichts.
    »Wenn Sie noch einen Moment Platz nehmen würden, während ich versuche, Captain Huff zu erreichen.«
    »Natürlich.«
    Mike ging zu einer Bank und setzte sich. Neben ihm füllte ein Mann im Anzug ein Formular aus. Ein Polizist rief: »Wir haben jetzt mit allen Angestellten gesprochen, von denen hat sie keiner gesehen.« Mike überlegte kurz, worum es ging, das machte er aber eigentlich nur, um seinen Blutdruck nicht zu sehr in die Höhe schießen zu lassen.
    Huff hatte gelogen.

    Mike behielt den jungen Beamten im Auge. Der telefonierte kurz, blickte dann auf, als er den Hörer aufgelegt hatte, und da wusste Mike schon, dass er eine abschlägige Antwort erhalten würde.
    »Mr Baye?«
    »Dr Baye«, korrigierte Mike. Dieses Mal mochte es arrogant wirken, aber manchmal behandelten die Leute einen Arzt einfach anders. Nicht häufig, aber manchmal.
    »Dr Baye, ich fürchte, wir sind heute Vormittag sehr beschäftigt. Captain Huff hat mich gebeten, Ihnen zu versichern, dass er Sie so bald wie möglich anruft.«
    »Das reicht mir nicht«, sagte Mike.
    »Wie bitte?«
    Das Revier war ziemlich offen. Es gab eine knapp einen Meter hohe Trennwand  – warum haben alle Polizeiwachen so eine Trennwand? Wen soll die aufhalten?  – mit einer kleinen Schwingtür. Auf einer der Türen dahinter stand groß CAPTAIN. Mit schnellen Schritten  – die in Brustkorb und Gesicht viele neue Schmerzen hervorriefen  – ging er an der Rezeption vorbei.
    »Sir?«
    »Machen Sie sich keine Mühe, ich kenne den Weg.«
    Er stieß die Schwingtür auf und eilte zum Büro des Captains.
    »Halt. Sofort stehen bleiben!«
    Mike konnte sich nicht vorstellen, dass der Bursche schießen würde, also lief er weiter. Bevor ihn jemand aufhalten konnte, erreichte er die Tür. Er ergriff den Knauf und drehte ihn um. Nicht abgeschlossen. Er öffnete die Tür.
    Huff saß am Schreibtisch und telefonierte.
    »Was soll denn der …?«
    Der junge Polizist von der Rezeption folgte Mike auf dem Fuß und wollte sich schon auf ihn stürzen, aber Huff winkte ab.
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Tut mir leid, Captain. Er ist einfach reingerannt.«

    »Kein Problem. Machen Sie die Tür zu, ja?«
    Das schien dem Burschen nicht zu gefallen, er tat aber, was man ihm gesagt hatte. Eine Wand des Büros war verglast. Der junge Polizist stellte sich davor und sah hinein. Mike warf ihm einen finsteren Blick zu und wandte sich dann wieder an Huff.
    »Sie haben

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