Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
Vom Netzwerk:
dass er entschlossen ist, die Einrichtung für die neue Wohnung zu finden, und zwar bald, in diesem Geschäft. Rational, praktisch, fest verwurzelt im Familiengeschmack blickt er in die Zukunft, die rasch näher kommt: »Aber Mäuschen, du hast doch noch gar nichts gesehen.«
    »Es gibt natürlich auch noch das obere Stockwerk«, sagt der Besitzer oder Geschäftsführer, der ein außergewöhnlich gutes Gehör haben muss oder vielleicht sogar die Fähigkeit des Lippenlesens beherrscht. Sofort tritt er zu ihnen und führt sie eine Treppe hinauf.
    Während sie hinaufgehen, berührt Stefano sie leicht am Hintern und flüstert ihr ins Ohr: »Du gefällst mir, wenn du aussiehst wie eine Wilde in der Falle. Echt sexy…«
    Sie entzieht sich mit einem zu heftigen Ruck, stößt mit dem Knöchel an eine Stufe. Wie oft sie sich gewünscht hat, Stefano wäre offener und zärtlicher, denkt sie, und wie paradox es ist, dass sie jetzt, da er endlich so ist, reagiert, als würde er ihr zu nahe treten. Ob das mit der üblichen Geschichte zusammenhängt, nämlich immer das zu wollen, was man nicht hat, und nicht zu wollen, was einem angeboten wird? Wohl eher nicht. Es scheint eine Frage von Ungleichzeitigkeit zu sein, von Forderungen und Angeboten, die nicht zum richtigen Zeitpunkt aufeinandertreffen, sondern immer zu früh oder zu spät kommen. Voller Gewissensbisse steigt sie die Treppe des Einrichtungshauses hinauf, und der Ärger über die Umstände und das gleichzeitige Bedauern lassen sie noch mehr frösteln als diese eiskalt eingestellte Klimaanlage.
    Auch im oberen Stockwerk des Geschäfts sind Kombinationen für unendlich fremde Lebensentwürfe ausgestellt; sobald ihr Blick irgendwo hängenbleibt, überkommt sie ein so heftiges Verlorenheitsgefühl, dass sie nur noch davonlaufen möchte. Betten, Schränke, Nachttische und Lampen zeigen ihr mit unerträglicher Deutlichkeit eine ganze Palette von Bewegungen und Blicken, von Beziehungen zu Freunden, Verwandten, Nachbarn, von Feierabenden, Essen zu zweit, Essen mit Gästen, Einschlafen, Aufwachen - ein Alptraum mit offenen Augen.
    Stefano befühlt wieder Lehnen und Kopfteile, testet die Beschaffenheit von Betten und Kissen, fährt mit der Hand über Oberflächen, studiert Einzelheiten, umkreist sie; vermutlich malt auch er sich Momente und Situationen in ihrer neuen Wohnung aus. Er erkundigt sich bei dem Besitzer oder Geschäftsführer nach Materialien und Maßen, fragt nach Preisen und Lieferfristen. Ab und zu dreht er sich zu ihr um: Er beobachtet ihr Mienenspiel, wirft ihr aufmunternde Blicke zu, ganz darauf aus, seine Zweifel zu beseitigen wie die sinnlosen kleinen Winkel in der Küche, die Sache abzuschließen, zu anderem überzugehen.
    Sie tut so, als würde sie ebenso engagiert Sachen ansehen und vergleichen; sie setzt sich sogar probehalber auf ein paar Sofas und Sessel, die sie nie im Leben um sich haben möchte. Wenn Stefano es nicht merkt, beobachtet sie ihn: Sein Verhalten weckt eine Mischung aus Aversion und Zärtlichkeit in ihr, die sie zur Verzweiflung treibt. Wie viel einfacher es wäre, wenn er das, was er sich in den Kopf gesetzt hat, mit einer Frau verwirklichen würde, die ihm gleicht, anstatt mit ihr, denkt sie; dann käme jede Entscheidung fast wie von selbst. Stattdessen sind sie beide in diese Falle gegangen, weil sie fälschlicherweise meinten, sie müssten einander beweisen, dass sie sich anpassen, ja sogar ein anderer Mensch werden können, um den gegenseitigen Erwartungen zu entsprechen. Je länger sie ihn beobachtet, umso mehr scheint ihr, als erkenne sie unter seiner zur Schau gestellten Sicherheit eine Verzweiflung, die ebenso groß ist wie ihre eigene. Man weiß natürlich nie, womöglich bildet sie es sich nur ein, um sich weniger im Unrecht zu fühlen.
    »Nun?«, sagt Stefano, nachdem sie noch einige Zeit in der Eiseskälte unter den Halogenstrahlern durch erlesenes Design spaziert sind.
    »Könnten wir einen Tag oder zwei darüber nachdenken?« Sie hat Herzstechen, ihr ist, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
    »Aber selbstverständlich, Mäuschen«, sagt Stefano, ohne das kleinste Anzeichen von schlechter Laune, die doch in diesem Augenblick ein wunderbares Mittel gegen die schadhaften Gefühle wäre, die sie innerlich verzehren.
    »Macht es dir wirklich nichts aus?«, fragt sie.
    »Aber nein.« Lächelnd neigt Stefano sich ihr zu und küsst sie auf die Haare. »Wir denken einen Tag lang darüber nach und entscheiden, sobald du

Weitere Kostenlose Bücher