Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Milda Ifanowna kam in ihm hoch. Der Aufbau des NKWD und besonders der sowjetischen Abwehr, der Gegenspielerin der deutschen Abwehr unter Admiral Canaris. Auch der Name Smolka war dabei gefallen, und Milda hatte gesagt: »Sie brauchen sich das nicht zu merken. Sie werden nie mit diesen Leuten in Verbindung kommen, denn wenn Sie in Berührung mit dem NKWD kommen, gilt Nummer II a.«
    II a … das war die Zyankali-Kapsel.
    Theorie und Praxis, Milda Ifanowna, dachte Sassonow. »Sie müssen sich einer Gefangenschaft sofort entziehen!« hatte auch Oberst von Renneberg gesagt. »Ihre Enttarnung bedeutet immer II a … Sie verkürzen damit nur das sowjetische Verfahren!«
    Wie leicht sich das so hersagt.
    Sassonow betrachtete Oberst Smolka eingehend. Die gegenseitige joviale Vorstellung täuschte nicht darüber hinweg, daß die kommenden Stunden oder Tage ein Spaziergang durch die Hölle werden würden.
    »Sassonow? – Ist Ihnen Baron von Labitz nicht lieber?« fragte Smolka.

Er wies auf einen Sessel. Während der Major an der Tür stehenblieb, setzten sich Sassonow und Smolka einander gegenüber. Höflich reichte der Oberst eine Packung Papyrossi über den Tisch. Sassonow bediente sich und beugte sich vor zu dem Streichholz, das Smolka anriß.
    »Sie haben sich vorgenommen, nicht zu reden!« sagte Smolka durch die kleine Flamme hindurch. Er blies sie aus, als Sassonow an seiner Zigarette zog, und betrachtete den brandgeschwärzten Holzrest, als sei er ein Kunstwerk. »Diskutieren wir nicht darüber. Ich würde an Ihrer Stelle auch stumm wie ein Fisch sein. So sagt man doch, nicht wahr? Der Vergleich hat nur einen Fehler: Fische sind nicht stumm! Sie können Laute von sich geben. Es gibt eine eigene Sprache der Delphine.«
    »Delphine sind keine Fische, Herr Oberst.« Sassonow lächelte höflich. »Sie gehören zur Gruppe der Zahnwale und sind somit Wassersäugetiere.«
    »Ein Punkt für Sie, Major von Labitz.« Smolka zerbrach den Streichholzrest. »Aber wir haben noch einen Knurrhahn. Ohne Zweifel ein Fisch, ein Triglide , zu den Stachelflossern gehörend. Die Knurrhähne geben Laut und können sogar auf den ersten drei Stacheln ihrer Brustflossen gehen.«
    »Der Punkt geht an Sie, Oberst Smolka.« Sassonow saugte gierig an seiner Papyrossa und blies den Rauch langsam von sich, um möglichst viel von dem Genuß zu haben. Es war vielleicht seine letzte Zigarette. Er war nicht nach Moskau gebracht worden, um sich mit dem stellvertretenden Chef der sowjetischen Abwehr über Fischarten zu unterhalten.
    Igor Wladimirowitsch schien anderer Ansicht zu sein. Er lehnte sich bequem in den Sessel zurück und gab einen Einblick in seine erstaunlichen Fischkenntnisse.
    »Denken Sie an die Aale, Major von Labitz. Sehr reizfähige Tiere«, sagte er und blieb in einem angenehmen Plauderton. »Es ist bekannt, daß ihre Nerven elektrische Stromstöße aussenden können. Man konnte sie sogar messen. Wenn man einen solchen Fisch zusätzlich mit Elektrizität reizt, kommt es zu erstaunlichen Reaktionen. Dann haben wir das, worüber wir jetzt sprechen: Fische bleiben nicht stumm.« Oberst Smolka blinzelte Sassonow zu, als habe er einen Witz unter Männern erzählt. »Ich nehme an, wir verstehen uns über diesen Umweg!«
    Sassonow nickte. Eine Bemerkung von Milda Ifanowna fiel ihm wieder ein: »Oberst Smolka gilt als einer der intelligentesten Männer im Geheimdienst. Er liebt vor allem unorthodoxe Methoden. Das heißt: Es gibt bei ihm keine Grenze der Belastbarkeit!«
    So wirkte Smolka, wie er gemütlich im Sessel lehnte, durchaus nicht. Er schlug die Beine übereinander in der Manier eines Mannes, der in einem Boulevardcafé sitzt und die an ihm vorbei Promenierenden spöttisch betrachtet.
    »Wollen wir uns nicht einigen?« fragte er höflich.
    Sassonow schüttelte den Kopf. »Ich appelliere an Ihre Offiziersehre, Herr Oberst.«
    »Im Ernst?«
    »Wo sollte da der Witz sein?«
    »Wem sind Sie verpflichtet? Ihrem Adolf Hitler? Das wäre ein Witz. Ein deutscher Offizier nimmt einen Irren ernst?«
    »Ich habe einen Eid geleistet, mein Vaterland zu verteidigen.«
    »Und tun Sie das? Deutschland hat Rußland angegriffen, nicht umgekehrt. Sie haben nicht verteidigt, Sie wollten erobern! Jetzt natürlich, wo Rußland siegt, wo die deutschen Divisionen ausbluten, wo wir sie vor uns hertreiben wie Hammel, jetzt natürlich müssen Sie verteidigen! Aber Sie unterstützen nur ein verbrecherisches Regime, weiter nichts. Wie können Sie das mit Ihrer

Weitere Kostenlose Bücher