Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
solche Feinheiten zu achten.
    Mit langsamer, klarer Stimme trug er alles vor, was bisher protokolliert war: Die Entlarvung des deutschen Majors Bodo von Labitz, das Verhör und sein Tod. Und die drei anderen unbekannten Toten, die Bunurian, Kraskin und Tarski geheißen und alle die gleichen Minisender mitgeführt hatten, die gleichen meisterhaft gefälschten Papiere.
    »Eine einheitliche Handschrift«, unterbrach Radowskij den Rapport. »Sie kommen aus demselben Lager. Komisch, daß sie zusammengehören.«
    »Es sind also deutsche Offiziere, Genosse General.« Smolka entfaltete eine mitgebrachte Karte und reichte sie Radowskij hinüber. Die roten Kreise fielen sofort auf. Radowskij blähte wieder die Nasenflügel.
    »Da hat man sie gefunden?« fragte er.
    »In einem Halbkreis um Moskau! Warum ein Halbkreis? Versetzen wir uns in die Lage der Deutschen. Oder besser: Was würden wir tun, um eine Gruppe mit einem einmaligen Auftrag sicher nach Berlin einsickern zu lassen? Wir lassen sie in einem Ring abspringen.«
    »Das wäre idiotisch, Igor Wladimirowitsch«, sagte Radowskij gemütlich und betrachtete die Karte. »Denn um Berlin kann keiner ungesehen abspringen. Er wird immer jemandem auf den Kopf springen.«
    »Aber nicht in den Wäldern an der Busha, und nicht in den Niederungen der Dubna. Auch das Land zwischen Protwa und Djessna eignet sich hervorragend für Fallschirmspringer. Im Umkreis von achtzig Werst rund um Moskau können – nennen wir eine Phantasiezahl – unbemerkt dreißig oder vierzig Mann abgesetzt werden. Mit den Papieren, die wir gefunden haben, kommen sie ohne Schwierigkeiten nach Moskau hinein und erhalten sogar von den Arbeitsämtern eine Stelle. Entlassene Kriegshelden. Wer schöpft bei diesen Dokumenten Verdacht, wer fragt überhaupt?!«
    Radowskij nickte. Er legte die Karte zur Seite und sah sehr nachdenklich aus. »Nehmen wir an, Sie haben recht, Igor Wladimirowitsch: Eine Gruppe deutscher Offiziere hat unter Verlust der vier Entdeckten Moskau erreicht und ist hier untergetaucht. Was können wir tun? Gar nichts! Wollen Sie alle Männer verhören, die sich seit einigen Tagen bei den Arbeitsämtern gemeldet haben? Wollen Sie alle verwundeten oder kranken Soldaten, die sich in Moskauer Krankenhäusern behandeln lassen, überprüfen? Die wichtigste aller Fragen ist aber: Was wollen die deutschen Offiziere in Moskau?! Für einen Nadelstich ist dieses Kommando zu gut vorbereitet, zu perfekt.« Oberst Smolka nickte. Radowskij tastete sich von selbst an das Unmögliche heran. »Was aber kann man in Moskau anstellen, was jetzt noch, beim Schwung unserer Offensive, irgendwie beunruhigend wirkt? Unsere Stromversorgung sprengen? Die Wasserleitungen? Die Rundfunkstation? Alles wäre sinnlos; es schädigt nicht die Front! Was also, mein lieber Smolka?«
    Smolka holte tief Atem. »Stalins Tod!« sagte er mutig. Nun war es heraus.
    Und prompt antwortete General Radowskij: »Sie sind ja verrückt, Igor Wladimirowitsch.«
    »Dieser Überzeugung bin ich fast auch!« Smolka nestelte unruhig an seiner Uniform. »Aber Sie deuteten es selbst an, Genosse General: Was lohnt sich noch in Moskau, daß man ein ausgewähltes deutsches Offizierskommando absetzt? Was könnte jetzt noch kriegsentscheidend sein? Nur eine Antwort gibt es …«
    »Da muß sofort etwas geschehen!« sagte Radowskij sehr ernst, aber auch sehr ruhig. Im Gegensatz zu Smolka schien er keine elektrischen Ströme in sich zu spüren bei dem Gedanken, man könnte Stalin auf eine fast unmögliche Art umbringen. »Wir müssen Stalin unverwundbar machen.«
    »Geht das überhaupt?«
    »Vor allem darf er selbst es nicht merken! Wir kennen alle sein Mißtrauen. Wüßte er, daß ein Mordkommando bereits in Moskau ist – es würde ihn nur dazu verleiten, keinen Schritt mehr aus dem Kreml zu tun. Er würde niemanden mehr empfangen, denn jeder könnte ein Verräter und ein Mörder sein. Selbst ich! Das ist völlig unmöglich! Das würde lähmend wirken. Gerade jetzt, wo Stunde um Stunde neue Siegesmeldungen eintreffen, gehört Stalin dem Volk! Er muß sich nicht einmauern – er muß sich sieghaft zeigen!«
    »Ausgeschlossen!« Smolka wischte sich mit bebenden Händen über die Augen. »Darauf warten die unbekannten Männer doch nur! Sie werden zuschlagen bei der ersten Gelegenheit. Hier ist ein ganz neuer Typ am Werk, durchaus nicht spezifisch deutsch: Männer, die sich selbst für diesen Auftrag opfern, die von Beginn an wissen, daß Stalins Tod nur mit ihrem

Weitere Kostenlose Bücher