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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatten.
    Das wäre nun kein Grund gewesen, Moskau zu unterrichten, denn so einen Fall möchte man, der Ehre wegen, selber lösen. Aber dann traf, zum Entsetzen der Genossen in Kalinin, eine zweite Leiche ein. Aus Wolokolamsk. Man sollte es nicht für möglich halten – wer kennt schon Wolokolamsk?!
    Die Miliz, eine Streife von drei Mann, hatte dort einen nackten badenden Mann aus dem Fluß Lama geholt, der angab, seinen Onkel Dementi Rußlanowitsch Koseboschkin zu suchen, der in Wolokolamsk wohnen sollte. Es gab keinen Genossen Koseboschkin, aber der verdächtige Mann, der sich. Sergeij Andrejewitsch Tarski nannte, verschluckte eine Blausäurekapsel und starb in Sekundenschnelle auf dem Boden im Postamt. Seine Papiere waren vollständig und einwandfrei. Aber aus dem hohlen Absatz seines linken Schuhs holte man ein winziges Funkgerät unbekannter Herkunft.
    Im Bericht stand nüchtern: »Der Leichnam wird gesondert überstellt.«
    Er war schon da, stand unten im Keller V neben dem anderen Zinksarg und wartete auf Smolkas Reaktion.
    »Das ist ungeheuerlich!« sagte Oberst Smolka, als er die Berichte gelesen hatte.
    Um ihn herum war sein engster Stab versammelt und schwieg betroffen nach der Vorlesung der Schreiben. Auf einem Tisch lagen die Beweisstücke: die Personalausweise, die Entlassungspapiere aus der Roten Armee, Krankenbescheinigungen, Zuweisungen an die Zentrale Arbeitsvermittlungsstelle Moskau, alles korrekt, alles überzeugend – und doch alles meisterhaft gefälscht. Auch die beiden Funkgeräte lagen da: eine Tabaksdose, unter deren Tabakteil der Sender eingebaut war, und ein winziger Kasten mit Klappdeckeln, der sich schnell in ein Funkgerät verwandeln konnte. So klein, daß er in einen Schuhabsatz paßte. Er glich genau dem Apparat, den man bei Sassonow gefunden hatte. Ein Gerät von noch nie gesehener Präzision. Eine völlige Neuentwicklung auf dem Gebiet der Funkelektronik.
    In zwei Säcken hatte man auch die Kleider der Toten mitgeschickt. Smolka verzichtete darauf, sie auszupacken. Er glaubte dem Bericht aus Kalinin, daß es sich um normale sowjetische Anzüge und Wäsche der unteren Qualität handele. Bei dem Satz ›untere Qualität‹ lächelte Smolka maliziös; ihm war nicht bekannt, daß es auch gehobene Qualität zu kaufen gab.
    Der Zufall – er wurde schon erwähnt, der Smolka diese ungeheuerlichen Stücke ins Haus brachte, war in Kalinin in Form einer Magenschleimhaut-Entzündung entstanden. Der Chef der NKWD-Zweigstelle Kalinin, der Genosse Lobnonin, war auch beim Eintreffen der zweiten mysteriösen Leiche aus seinem Gebiet bereit gewesen, die Untersuchungen zunächst allein durchzuführen, ohne die große Mutter in Moskau zu belästigen. Zwei entlarvte Spione sind eine gute, feste Sprosse auf der Beförderungsleiter. Aber dann geschah das Unglück, daß die Lobnonina, seine Frau, eine Okroschka anrührte, also eine kalte Sommersuppe mit roten Rüben, Fisch, Salzgurken, Dill, Kwaß und einem Hauch saurer Sahne, ansonsten ein köstliches Gericht an heißen Sommertagen und eine Wonne für jeden russischen Magen. Aber Lobnonin bekam sie gar nicht. Sei es, daß die Okroschka zu kalt war, sei es, daß die beiden Toten seinen Magen zu nervös und überreizt gemacht hatten – er mußte sich hinlegen, wurde auf Null-Diät gesetzt und kotzte so lange und ausgiebig in einen Emailleeimer, bis er völlig erschöpft und bleich im Bett lag.
    Ein junger, gerade von der Schule für den höheren Dienst zurückgekehrter Kommissarsanwärter übernahm das Kommando und entdeckte im Keller die beiden frischen Toten und den gerade zu Ende geschriebenen Bericht. Was tut ein gewissenhafter Beamter? Er denkt logisch, und logisch hieß in diesem Fall: Das ist eine dicke Sache für Moskau.
    Während Lobnonin noch seinen Eimer umarmte, fuhr ein schneller Kleinlastwagen der Miliz die beiden Leichname bereits in die Hauptstadt und gab sie bei der NKWD-Zentrale ab. Eine Bombe noch nicht übersehbaren Kalibers war bei Oberst Smolka gelandet.
    Bevor er noch seinen Stab zusammenrufen konnte, brachte ein Bote der Miliz ein kleines Päckchen, in dem sich befand: ein blutverschmierter Ausweis, Entlassungspapiere aus der Armee, Krankheitsberichte – alles bis fast zur Unleserlichkeit zerknittert und mit Blut durchtränkt – und ein Haufen von Drähten und Kontakten, Metalltrümmern und Reste eines völlig zerstampften Schuhabsatzes.
    Smolka sträubten sich die Nackenhaare. Die Verwandtschaft mit den Hinterlassenschaften der

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