Sie waren zehn
gewissermaßen zum Anlegen des Halsschmuckes. Die Baldenows waren noch nie Heilige gewesen, auch wenn sie auf Gut Neu-Nomme eine eigene Kirche unterhielten und sonntags in den ersten Bänken saßen, ›Ein' feste Burg ist unser Gott‹ sangen und in der Reihe der anderen Bauern standen, um das Abendmahl zu empfangen. In bezug auf Frauen galten sie als Abkömmlinge der ausgesetzten Wisente. Die Frauen der Baldenows waren immer großzügig gewesen, deshalb waren auch ihre Ehen glücklich und unerschütterlich. Man wußte, in einem gewissen Alter hatten die Herren auf Neu-Nomme ihre Munition verschossen. Dann tätschelten sie nur noch, griffen zwar noch gern da und dort in Fülliges, begnügten sich jedoch damit, letzte Standhaftigkeit hinterher mit einer Flasche Rotspon feierlich zu begießen.
Venno hatte in diesen vierzehn Tagen, die er jetzt auf Gut Neu-Nomme war, die kleine Baronesse von Ebenhausen, das Freifräulein von Ruguldi und die verwitwete Baronin von Soulepp mit seiner ungebrochenen Männlichkeit begeistert, ohne allerdings die Hoffnung zu hinterlassen, daß es nach dem Krieg zu einer ständigen Bindung kommen könnte. Er tauchte auf den Gütern auf, ritt mit den Damen über Felder und durch Wälder, suchte und fand abgelegene, sonnendurchwärmte Plätze, ließ seine beiden stets mitgeführten, Jagdhunde rundum Patrouille laufen, um vor Überraschungen sicher zu sein, und demonstrierte dann den begeisterten Damen den Angriff mit blanker Waffe.
Es waren herrliche Sommertage auf Neu-Nomme.
An diesem Tage nun war Venno mit auf die Felder gefahren. Während auf weiten Wiesenflächen noch die Kolonnen der Schnitter in langen Reihen mit zischenden Sensen die Mahd machten, ein im Gleichgang blitzender, hin und her schwingender Vormarsch gedengelten Stahls, fuhren andere Kolonnen, und hier vor allem Mädchen in bunten Kopftüchern, luftigen Blusen und kurzen Leinenröcken, das auf den Dreibockreutern getrocknete Heu ein. Mit Gabeln stakten sie die Haufen nach oben auf die Heuwagen, wo zwei Mann saßen, die Ballen abnahmen und schichteten. Auch Venno, der ›junge Herr‹, stand auf einem der Heuberge auf dem Wagen, nahm an, stopfte die Gabel kunstvoll um sich herum und winkte den Mädchen auf dem Feld zu. Nur zu, nur zu, mich bekommt ihr nicht müde.
Ein kräftiger Kerl war er. Mit nacktem Oberkörper stand er da oben, in einer engen, verwaschenen Drillichhose. Seine Muskeln drückten sich wie Trossenstränge durch die Haut, an den Oberarmen, im Rücken, unter dem Nacken, quer unter dem Magen, an den Oberschenkeln. Ein trainierter Körper, ein schöner, männlicher, fordernder Körper. Die Gutsmädchen bewunderten ihn mit glänzenden Augen.
Der Heuwagen war zu Dreiviertel beladen, als der Gefreite Hans Briszliszky über das Feld galoppierte. Er schwenkte einen Zettel in der Hand. Gefreiter Briszliszky war Bursche bei Hauptmann von Baldenow. Er hatte es in seinem Dorf nur bis zur vierten Klasse geschafft, aber seine Treue war allen überlegen. Und er gehörte zu den sieben, die neun T 34 abgeschossen hatten. Dafür bekam er das EK II – später, als Baldenow das Ritterkreuz trug, reichte man das EK I nach, das Panzerabschußzeichen in Silber, die Nahkampfspange … »Wenn allet vorbei ist«, hatte Briszliszky gesagt, »werd' ick Klempner. Blech hab ick jenug für den Anfang …«
»Ein Telegramm, Herr Hauptmann!« schrie Briszliszky und zügelte das schwitzende Pferd. »Jerade anjekommen! Dringend.«
Venno kniete sich auf den Heuhaufen. Die stakenden Mädchen bildeten einen Kreis um das tänzelnde, nervöse Pferd. »Ritterkreuz?« fragte Hauptmann von Baldenow.
»Nee, Herr Hauptmann! Ab nach Berlin!«
»Oje! Der Führer persönlich …? Die machen's aber feierlich …«
»Morgen früh Meldung in Eberswalde …«
»Wo?«
»Eberswalde. Reitschule.«
»Sind die denn verrückt? Ich konnte schon reiten, da haben die anderen noch in den Windeln geschwommen.«
»Ist 'n Befehl, Herr Hauptmann!«
»Ich komme 'runter.«
Es zeigte sich, daß das Telegramm tatsächlich aus Berlin kam. Johannes von Baldenow, der Vater, hatte bereits bei der Post in Aruvallo angefragt. Es stimmte. Ein Telegramm. Vom OKW! Die großen Götter riefen Venno von Baldenow in ihre Arme.
»Das bedeutet Generalstab, was sonst, mein Sohn?« sagte Johannes von Baldenow stolz. »Wenn das OKW persönlich. Die ganze Familie segnet dich, mein Junge!«
Am nächsten Morgen flog Venno von Baldenow vom Flugplatz Reval nach Berlin. Das Telegramm
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