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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sächsisch. Das ist zwar ein Schicksal, das jeder aus dieser Landesecke zu tragen hat, aber Poltmann zuckte davor zurück, wenn er daran dachte, daß die süße Carla etwa sagen könnte: »Paß uff, daß de mir geen Gind machsd …« Da hilft auch kein Lockenwühlen mehr.
    Die zweite Favoritin hieß Elfriede, war deutlich germanischer Abstammung, stand auf schönen, aber stämmigen Beinen, hatte dauernd Krach mit ihrer Bluse, weil ihre Brüste die Knöpfe aus den Löchern sprengten, und bewegte sich durch das Lazarett mit einem Gang, als sei sie auf der Pirsch nach Wotan geweihten Bären. Ein solches Prachtweib besessen zu haben, galt im Lazarett 11 in Mogilew schon als sportliche Trophäe.
    Die Jagdgesellschaft war dementsprechend groß und exklusiv: Vom Oberstabsarzt der ›Inneren‹, der eigentlich ein Gynäkologe aus Recklinghausen war und auch so aussah wie ein Frauenarzt, was ihn besonders stolz machte, bis zu dem Sanitätsgefreiten Hubert Sinckel, von dem Eingeweihte sagten, er sei der einzige Landser, der Maßhosen trage, weil die normalen Hosen ihn gesundheitsschädlich einklemmten: alles, was sich zutraute, Elfriede zu überstehen, setzte seine Spezialtricks ein.
    Sie alle blitzten ab. Thusneldas Stolz umgab Elfriede wie eine Aura. Bis Leutnant Johann Poltmann mit seinem lächerlichen Hinternschuß eingeliefert wurde! Erfahrene Lazarettinsassen ahnten Böses. Kleckerweise besuchten Abordnungen verschiedener Stationen den noch auf dem Bauche liegenden Poltmann und machten ihm klar, daß im Lazarett neunundvierzig Schwestern tätig seien, im Nebenlazarett noch einmal siebenunddreißig, in der Sammelstelle zwölf. Das sind zusammen achtundneunzig Mäuschen! Die Blitzmädchen sollte man erst gar nicht hinzuzählen. Also, Kamerad Poltmann: Muß es gerade Elfriede sein?!
    Poltmann versprach Unmögliches, denn als er nach diesen fünf Tagen wieder laufen durfte und Elfriede allein – wirklich zufällig – im Vorraum der Wäschekammer traf, weil er dort ein Hemd abgeben wollte, fragte Elfriede ihn: »Sind die echt, Herr Leutnant?«
    »Was?« fragte Poltmann ahnungslos zurück.
    »Die Farbe der Haare! Oder bleichen Sie die?«
    »An der Front?!«
    »Natürlich, welch dumme Frage!« Elfriede lächelte etwas verschämt, wodurch sie gleich nicht mehr so germanisch aussah. Sie wirkte irgendwie weicher, ließ, wie hinter Schleiern, Zärtlichkeit ahnen. »Darf ich mal?«
    »Was?« fragte Poltmann wieder. Liebe Kameraden, dachte er dabei. Ich kann es nicht ändern. Wer kann seinem Schicksal davonrennen?!
    »Anfassen …«
    »Wo?«
    »Ihre Haare natürlich!« sagte Elfriede. Ihre Augen spielten beleidigt, aber ihre schön geschwungenen vollen Lippen lächelten.
    »Wenn es Ihnen Spaß macht. Bitte!« Er senkte den Kopf, und Elfriede streichelte mit beiden Händen über die goldweißen, seidigen Locken. Ihr Atem wurde schneller, ihre Brüste hoben und senkten sich wie Pumpenkolben, er sah es genau, denn beim Kopfsenken war er ihrem Busen sehr nahe gekommen. Sie faßte noch einmal in sein Haar, und er spürte deutlich, wie ihre Hände zuckten.
    »Danke«, sagte sie mit belegter, viel dunklerer Stimme. »Und nun geben Sie Ihr schmutziges Hemd her, Herr Leutnant.«
    Poltmann verließ die Wäschekammer mit seltsamen Gefühlen.
    Am Abend suchte er aus seinen Hölderlinbänden ein besonders schönes Gedicht aus, schrieb es mit Zierschrift ab, faltete das Papier, schnitt sich eine lange Locke ab, steckte sie an das Gedicht, verklebte das Kuvert und schob es in der Nacht unter die Tür des Wachraumes VI. Er hatte sich erkundigt; Elfriede hatte von 4 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags Frühdienst.
    Die Wirkung war ungeheuer.
    Am nächsten freien Tag trafen sich Elfriede und Poltmann in einer Hütte am Dnjepr und verloren nicht mehr viel Worte. Ihre Liebe auf dem Strohsack in einem alten Holzbettgestell war vulkanisch.
    »Deine Locke trage ich auf der bloßen Brust«, sagte sie. Und das stimmte. Sie hatte die goldweiße Locke mit Nähgarn zusammengefaßt und wie ein Federmedaillon an ein Silberkettchen gehängt. Zwischen ihren herrlichen Brüsten lag sie nun. »So spüre ich dich immer«, flüsterte sie. »Bei jeder Bewegung bist du an mir, in mir, streichelst mir die Brüste. Ich laufe nur noch 'rum wie ein gereiztes, wildes Tier. Du machst mich verrückt. Und dann dein wunderschönes Gedicht. Wie klug du bist …«
    Leutnant Poltmann verzichtete darauf, zu erklären, daß der Dichter Hölderlin heiße. Vielleicht kannte Elfriede

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