Sie waren zehn
Hölderlin gar nicht – aber war das wichtig?! Sie hatte weiche Schenkel, samtene, tastende Lippen und einen heißen, waldreichen Schoß …
Das Idyll dauerte fünf Tage. Dann rief ihn der Chef des Lazaretts II, ein Oberstarzt, in sein Büro und musterte Johann Poltmann mit angezogenem Kinn. Oberstarzt Dr. Beckmann war Lungenfacharzt aus Hannover und galt als sehr zugeknöpft.
»Gott schlägt hart zurück«, sagte er, als Poltmann nach strammem Gruß sich rühren durfte. »Herr Leutnant – Ihre Bockzeit in meinem Haus ist vorbei!«
»Herr Oberstarzt, ich …«
»Keine Entschuldigungen, Herr Leutnant. Ich kenne die Spielregeln, auch wenn ich mich nicht am Spielchen beteilige. Sie haben die Jagd gewonnen, Leutnant Sonnenköpfchen. Wissen Sie, daß man Sie so nennt?«
»Ja. Aber ich kann nichts dafür …«
Dr. Beckmann hob ein schmales Papier hoch und zeigte es Poltmann. Aber er konnte nicht lesen, was darauf stand. Jedenfalls war es ein Telegramm.
»Sie werden sofort mit kleinem Gepäck auf die Walze gehen, Herr Leutnant.« Der Oberstarzt ließ das Papierchen auf den Tisch zurückflattern. »Befehl aus Berlin. Vom OKW! Ein Flugzeug bringt sie von Mogilew nach Minsk. Von dort fliegen Sie weiter mit einer Fokker nach Eberswalde. Die Sache muß ganz dringend sein …«
»Mit mir? Unmöglich!« Poltmann starrte Dr. Beckmann entgeistert an. Berlin, dachte er. OKW! Eberswalde. Marschbefehl per Telegramm … Das ist mir unerklärlich.
»Vielleicht will das OKW Ihre Löckchen taktisch ausnutzen?« sagte Oberstarzt Dr. Beckmann und bot Poltmann sogar eine Zigarette an. Das war eine ganz große Auszeichnung. Man konnte sich in Mogilew nicht erinnern, von Dr. Beckmann jemals etwas angeboten bekommen zu haben. Aber wenn das OKW ein Telegramm schickt … »Man munkelt jetzt soviel von Wunderwaffen …«
Poltmann lächelte säuerlich. Er rauchte schnell seine Zigarette, verabschiedete sich zackig von Dr. Beckmann und ging hinüber zur Schreibstube. Dort war schon alles vorbereitet. Der Ia -Schreiber grinste.
»Herr Leutnant müssen heute abend heimlich abfliegen«, sagte er. »Der kleine Flugplatz Mogilew faßt sie nicht alle, die trauernden Witwen …«
»Idiot!« Poltmann nahm seine Papiere entgegen. »Was wissen Sie von dem Telegramm, Obergefreiter?«
»Es tickte und war da. Weiter nichts.«
»Ungeheuer aufschlußreich!« Poltmann verließ die Schreibstube, packte einen kleinen Koffer mit dem Allernötigsten, versteckte sich dann vor Elfriede in einer Marketenderkneipe in Mogilew und lieg sich in der Abenddämmerung zum Flugplatz bringen.
Es war wie ein Wegschleichen. Ein Abschied für immer.
Aber das wußte Leutnant Poltmann noch nicht.
Adler, Detlev
25 Jahre
Oberleutnant
Es gibt einen heißen Krieg, und es gibt einen faulen Krieg. In Norwegen, vor allem im südlichen Teil des fjordzerrissenen Landes, war der Krieg 1944 superfaul geworden. Zwar hatten die Sowjets am Eismeer die Front eingedrückt, hatten Petsamo erobern wollen und störten nun dauernd mit kleineren Angriffen die Ruhe in Kirkenes, aber die deutsche 20. Gebirgsarmee unter General Rendulic hatte die Lage fest im Griff. Man erwartete auch keine dramatischen Ereignisse dort oben im vereisten Norden. Wenn es zu der großen Offensive der Sowjets kommen sollte – woran keiner glaubte –, dann setzte sie im Mittelabschnitt ein und in der Südukraine. Der Durchbruch nach Ostpreußen und zur Oder und Elbe und der große südliche Schwenk über die Karpaten in die deutsche Flanke: das war der einzige Weg, die geschwächten deutschen Armeen auseinanderzureißen und einzukesseln oder sie vor sich herzutreiben. Norwegen, die ganze nördliche Front, war dabei völlig uninteressant. Wenn die große Front in der Mitte zerbrach, war Norwegen sowieso nur ein Anhängsel. Ein Blinddarm des Krieges.
Es ist bekannt: Im Sauda-Fjord kann man gut fischen. Es ist ein kleiner, schmaler Fjord, der vom großen Bokn-Fjord abgeht und an dessen Ende das Städtchen Sauda liegt, geschützt durch den 1.602 Meter hohen Gebirgsrücken des Kyrkjenut. In den Gebirgsflüßchen gibt es sogar Lachse, fette, kräftige Burschen, die in dem sauerstoffreichen Gewässer prächtig gedeihen und die nur in den letzten Jahren dezimiert wurden, weil deutsche Gebirgsjäger ihre Eßgewohnheiten geändert hatten und nicht nur Gamsbraten am Spieß drehten, sondern auch dickfleischige Lachse grillten.
Ab und zu krachte es zwar in den Fjorden, aber das war mehr ein Anwesenheitsnachweis der
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