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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Die Informanten behaupteten, die zehn sowjetischen Offiziere sollten in ein Straflager verlegt werden. Man betrachte sie als politische Gefangene.
    »Welch ein Unsinn!« protestierte Oberstleutnant Sakmatow. Und selbst General Iswarin schaltete sich ein, bat um eine Unterredung mit dem deutschen Major und trug vor, daß die zehn Kameraden völlig normale Offiziere seien, keine Kommissare. Den Sänger Plejin wollten einige sogar verstecken, verschwinden lassen … Gruppen bildeten sich um die neuen Freunde und diskutierten, ob es zweckmäßig sei, Widerstand zu leisten. Kein Aufstand, keine Lagerrevolution – aber eine Diskussion mit den deutschen Offizieren.
    »Ich kenne sie, Brüder«, sagte Pawel Fedorowitsch Sassonow, der einmal von Labitz geheißen hatte. »Wenig Sinn hat's! Haben wir noch Rechte, außer daß wir leben dürfen? Bringt euch nicht in Gefahr unseretwegen. Gute Menschen seid ihr alle, wahre Freunde – aber seid vernünftig. Als Irrtum wird sich alles herausstellen.«
    Man verabschiedete sich, als habe man Jahre miteinander verbracht. Durch ein Spalier von Umarmungen und Wangenküssen gingen die zehn zum Lagerausgang, wo ein Zug deutscher Soldaten mit entsicherten Maschinenpistolen wartete. Die Stimmung im Lager war explosiv, das wußte jeder. Ein kleiner Funke genügte zur Katastrophe.
    Am Lastwagen, vor der heruntergelassenen Ladeklappe, wartete Oberst von Renneberg. Hansekamm war im Wagen geblieben. Noch einmal drehten sich die zehn um, winkten zurück, die sowjetischen Offiziere winkten zurück, einer schlug sogar das Kreuz – dann kletterten sie in den Lastwagen und setzten sich auf die Bänke. Die Klappe krachte zu, von Renneberg klinkte die Innenriegel ein, der Wagen ruckte an und brummelte davon. Das letzte, was sie hörten, war ein rhythmischer, vielstimmiger Schrei: »Rossija! Rossija!«
    »Rußland! Rußland!«
    Der Abschiedschor für die Kameraden. Der ohnmächtige Protest. Der Aufschrei zum Mut, zum Durchhalten.
    Rußland! Rußland!
    »Ein voller Erfolg!« sagte von Renneberg in die Dunkelheit des rappelnden Lastwagens. »Gratuliere. Das übertraf alle unsere Erwartungen.« Er sprach russisch. »Sie sind wirklich die Besten, die wir finden konnten.«
    In Eberswalde hatte sich nichts geändert.
    Der Küchenfeldwebel mußte wieder Sonderessen kochen, der russische Kriegsgefangene leckte wieder Teller und Schüsseln leer und bekam seine Tritte in den Hintern. In der Normandie hatten die Alliierten ihre gesteckten Ziele erreicht: Überall waren die deutschen Regimenter in ärgster Bedrängnis, rollten aus dem Hinterland die schwachen Reserven heran, trugen Tausende von Schiffen aus England Panzer, Geschütze, Munition, Jeeps, Mannschaftswagen, Material und Munition über das Meer. Allein schon vom Aufwand her war für Deutschland die Schlacht um Frankreich verloren. Nach den Informationen von Canaris, also der deutschen Abwehr, hatten die Alliierten jetzt eine Million Mann an Land gebracht!
    Oberst von Renneberg gab nur einen kurzen ›West-Überblick‹. Moskau war jetzt das Thema. Der Stadtplan, riesenhaft vergrößert, hing an der Wand. Die kleinste Gasse, der kleinste Steig, das winkeligste Eckchen waren eingezeichnet.
    »Genosse, ich warte auf das versprochene Kornfeldfoto!« reklamierte Luka Iwanowitsch Petrowskij. »Habe ganz vergessen, wie's aussieht, wenn zwei aufeinanderliegen.«
    »Es gibt etwas Besseres.« Renneberg nickte Hansekamm zu. Es war wie auf dem Theater, einer führt Regie, der andere holt die Akteure auf die Bühne und verteilt die Requisiten. »Eine Bitte: Sie sind zehn auf Leben und Tod verbundene Kameraden. Da darf kein Riß entstehen.«
    »Warum auch?« fragte Kyrill Semjonowitsch Boranow. Er hieß einmal Kuehenberg.
    Hansekamm öffnete die Tür zum Schulungsraum. Man hörte draußen auf dem langen Flur das Klicken von Schuhen. Und dann war es, als spiele eine unsichtbare Orgel mit allen Registern und Pfeifen, und das Herz tat einen Sprung bis hinauf zum Hals.
    Das Zimmer betrat eine Frau mit kurzgeschnittenen, schwarzen Haaren. Sie trug einen einfachen Leinenrock in blauer Farbe, eine Bluse in Sonnengelb und offene Sommerschuhe mit halbhohen Absätzen. Und alles, was dazwischenlag, von den schwarzen Haaren bis zu den Ledersohlen, war von einer solch vollendeten Körperlichkeit, von einer so herb-sinnlichen Ausstrahlung, einer gleichsam überspringenden tierhaften Vitalität, das Fjedor Pantelijewitsch Iwanow mit beiden Händen in seine gestutzten blonden Locken

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