Sieben Jahre Sehnsucht
seine letzten Jahre mit großer Freude erfüllt. Dafür werde ich immer in deiner Schuld stehen.«
Aus den Augenwinkeln nahm Jessica eine Bewegung im Bett wahr. Hester hatte sich nach vorne gebeugt und strich mit den Händen über die schimmernde Seide. Die Schneiderin zählte deren Vorzüge in einem gedämpften, aber entzückten Ton auf, was zu den Assoziationen passte, die eine Frau in dekadentem Rot hervorrufen würde.
»Was hältst du davon, die Seide nur für das Mieder zu nehmen?«, fragte Hester. »Und für den Rock cremefarbenen Satin oder schweren Damast? Oder nur für die Ärmel? Oder als Applikation?«
»Nein«, murmelte Jessica und verschränkte die Arme. »Das ganze Kleid soll aus der Seide angefertigt werden, mit einem gefältelten Mieder und tief angesetztem Rückenteil.«
» C’est magnifique! «, zwitscherte die Schneiderin und befahl mit einem Fingerschnippen ihre Gehilfinnen zu sich, damit sie mit dem Maßnehmen begännen.
Ein Dienstmädchen mit weißer Haube kam herein und knickste. »Lady Tarley, für Sie ist etwas angekommen. Wünschen Sie, dass ich es Ihnen bringe?«
Jessica runzelte die Stirn. »Muss das jetzt sein? Kannst du es nicht in mein Zimmer bringen, damit ich mich später darum kümmere?«
»Es kam mit der Anweisung, Ihnen unverzüglich übergeben zu werden.«
»Interessant. Gut, bring es her.«
»Was könnte das sein?«, fragte Hester. »Hast du irgendeine Idee, Jess?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sie, obwohl sie insgeheim hoffte, es sei ein wie auch immer geartetes Lebenszeichen von Alistair. Ihre letzte Begegnung lag nur wenige Tage zurück, doch Jessica litt schon jetzt unter der Trennung. Ginge es nicht um Hesters gefährdete Gesundheit und die Notwendigkeit, sie nahezu unentwegt zum Essen zu überreden, hätte sie Alistair schon längst aufgesucht.
Wenige Sekunden später kam das Dienstmädchen zurück, in der Hand einen Korb mit Deckel. Sie stellte ihn auf dem Boden ab und ruckelte leicht daran. Ein leises Wimmern ertönte aus dem Inneren des Korbs, worauf Jessica neugierig näher trat.
»Was ist das?«, fragte Lady Pennington und stellte ihre Teetasse auf den Tisch.
Jessica ging in die Hocke, hob den Korbdeckel hoch und schnappte nach Luft beim Anblick des winzigen Mopswelpen, der in dem mit Stoff gefütterten Korb herumstolperte.
»Bist du aber süß!«, wisperte sie, sofort total verliebt. Vorsichtig hob sie das kleine Wesen heraus und lachte vor Freude, als sie den weichen, warmen, sich windenden Welpen in den Armen hielt.
»Oh mein Gott!«, rief Hester. »Es ist ein Hund!«
Jessica lachte noch mehr. Sie lehnte sich auf den Fersen zurück, setzte den aufgeregt schnüffelnden Welpen auf ihrem Schoß ab und betrachtete die Metallmarke, die an dem roten Lederhalsband hing.
Acheron war auf einer Seite eingraviert, was Jessica einen sehnsüchtigen Stich versetzte. Auf der anderen Seite stand schlicht: In Liebe, ALC .
»Von wem stammt dieses Geschenk?«, fragte die Countess.
»Bestimmt von Baybury«, sagte Hester in wehmütigem Ton.
Jessica öffnete den versiegelten Brief, der an einem schwarzen Band am Griff des Korbs herunterhing. Das Familienwappen im Siegelwachs gemahnte Jessica mit schmerzhafter Deutlichkeit daran, wer Alistair jetzt war, doch sie schob den Gedanken beiseite und besann sich wieder auf ihren Vorsatz, für ihn zu kämpfen.
Meine liebste, eigensinnige Jess,
möge der beigefügte kleine Freund Dir Freude bereiten. Ich hoffe, er wird Dich ununterbrochen an den Mann erinnern, der ihn Dir geschenkt hat. Ich habe ihm die Aufgabe erteilt, über Dich zu wachen und Dich zu beschützen, denn ich weiß, er wird Dich so heiß und innig rasend lieben wie ich.
Ihre Hoheit verlangt, ich solle den Treadmore-Maskenball besuchen, der in fünf Tagen stattfindet. Ich sagte ihr, ich käme nur, wenn meine Verlobte ebenfalls dorthin ginge. Um Dich zu sehen, würde ich jedes noch so grauenvolle gesellschaftliche Ereignis tapfer erdulden.
Bitte übersende Deiner Schwester meine besten Wünsche für eine baldige Genesung. Ich verstehe sehr gut, dass ihr Zustand sich in Deiner Abwesenheit verschlechtert hat. Auch ich leide, wenn Du nicht bei mir bist.
Immer der Deine
Alistair
Dem Brief war eine Zeichnung beigelegt, ein Bild von Jessica, wie sie auf dem Podest der Laube lag, die er auf der Insel erbaut hatte. Ihr Blick war verhangen, verträumt und sehnsüchtig, ihre Lippen vom Küssen angeschwollen, und ihr Haar hing ihr zerzaust über die Schultern.
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