Sieben Jahre Sehnsucht
grauenhafte Geschmack in ihrem Mund verursachten ihr Übelkeit. Tapfer kämpfte sie gegen den Brechreiz an, aber leider erfolglos. Sie spürte auch deutlich die empfindliche Reizung zwischen ihren Beinen. Erinnerungen an den gestrigen Tag holten sie ein, ließen sie erröten und sich vor Scham winden. Wie hatte sie nur so undiszipliniert sein können? Und sich in ihrer Erregung dazu hinreißen lassen, Alistair dieses plumpe Angebot zu unterbreiten, was dazu geführt hatte, dass er wütend von dannen stapfte?
Sie kannte die Antwort – Alistair Caulfield hatte schon immer eine einzigartige Wirkung auf sie gehabt. In seiner Gegenwart war sie nicht mehr sie selbst; sie wurde zu einer Frau, die sie nicht wiedererkannte. Und es war schwer zu bestimmen, ob sie diese Frau, die sie dann wurde, sein wollte oder nicht. Wie konnte sie das gutheißen, wenn sie sich so durcheinander, verlegen und schuldig fühlte?
Beth war wie immer ein von Gott gesandter Engel. Die Zofe sorgte für einen Krug mit warmem Wasser zum Waschen und einen Teller mit Zwieback, was Jessicas Magenbeschwerden deu tlich linderte. Bis zum Abend fühlte Jess sich kräftig genug, um etwas Herzhafteres zu essen und sich der Begegnung mit Alistair zu stellen. Da sie aus Erfahrung wusste, dass man einen wütenden Mann besser nicht allein aufsuchte, wählte sie für die Begegnung das Abendessen in der Kapitänskabine im Beisein der anderen Herren. Als Alistair es dann während des Abendessens sorgfältig vermied, sie anzusehen oder mit ihr zu sprechen, wenn es nicht unbedingt sein musste, wusste Jessica, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Gleichwohl schmerzte sie der Bruch zwischen ihnen.
Aber vielleicht war es so am besten. Wenn sie ihn vertrieben hatte, bliebe ihr der innere Aufruhr erspart, der sie seit ihrer Wiederbegegnung plagte. Was er von ihr verlangt hatte – seine Geliebte zu sein –, war so außerhalb der Vorstellung, die sie von sich selbst hatte, dass sie es kaum glauben konnte. Doch er war eindeutig imstande, ihren Widerstand zu brechen. Und obwohl sie es bedauerte, dass sie ihn so gekränkt hatte, war es letztendlich gut gewesen, denn es war für sie beide besser, wenn sie fortan auf Abstand gingen.
Sobald es der Anstand erlaubte, bat Jessica, sich zurückziehen zu dürfen. Höflich standen die Männer auf, und Alistair sagte: »Darf ich Sie zu einem Spaziergang auf Deck einladen, Lady Tarley? Es wäre mir eine Ehre, und vielleicht wird die frische Luft Ihre Lebensgeister wieder wecken.«
Nervös rang sie sich ein Lächeln ab und nickte. Sie verließen die Kabine zusammen mit dem Ersten Offizier, der sofort den Gang hinuntereilte und Alistair und Jessica allein zurückließ.
Sie blieb neben der Kabinentür stehen. »Mir ist kalt. Ich hole mir rasch ein Tuch.«
Er knöpfte seinen Gehrock auf. »Da.«
Den Blick von seiner Brust abwendend, sagte sie spitz: »Ein Gentleman zeigt sich niemals in Hemdsärmeln!«
Seine Antwort erfolgte in einem beißenden Ton. »Du bist der einzige Mensch an Bord, der daran Anstoß nehmen würde, und nach allem, was gestern geschehen ist, finde ich den Versuch, die wohlanständige Lady herauszukehren, sehr ermüdend.«
Angesichts seiner harten, verschlossenen Miene blieb ihr Herz fast stehen. In seinen blauen Augen lag ein diabolisches Glimmen, und der entschlossene Zug um seine markante Kinnpartie warnte sie, dass er sich nicht so leicht abwimmeln lassen würde. Wie vertraut ihr dieser Ausdruck mühsam gezügelter Wut doch war! Er verhieß niemals etwas Gutes. »Vielleicht sollten wir uns lieber zu einem anderen Zeitpunkt unterhalten.«
»Es gibt einige Dinge, die der Klärung bedürfen. Und zwar je eher, desto besser.«
Trotz ihrer Bedenken gehorchte Jess und ging durch den Gang in Richtung der Treppen. Ein warmes Gewicht senkte sich auf ihre Schultern, als er ihr den Gehrock umlegte. Sogleich stieg ihr sein einzigartiger maskuliner Geruch in die Nase, wild und sinnesverwirrend. Alistair war ein viriler Mann, und als sie an den gestrigen Abend dachte, durchrieselte sie ein erregender Schauer.
Sie stiegen die Stufen zum Deck empor. An einer Stelle, die frei von Masten und Takelage war, blieb Caulfield stehen. Mit einer herrischen Handbewegung scheuchte er die beiden Matrosen weg, die nebenan arbeiteten.
Die Art, wie er hochgewachsen und finster vor ihr aufragte, erregte und ängstigte sie zugleich. Er sah einfach unverschämt gut aus. Seine klassischen Züge und der wohlgeformte Körper
Weitere Kostenlose Bücher