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Sieben Jahre später

Sieben Jahre später

Titel: Sieben Jahre später Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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festgehalten.«
    »Wo wohnt der Mann?«
    »Rue Caplat.«
    »Ist das weit von hier?«
    »Nicht wirklich.«
    »Kann man zu Fuß hingehen?«
    »Ja, aber da möchte ich Sie gleich warnen. Mounir ist ein unangenehmer Zeitgenosse und …«
    »Bitte, bringen Sie mich zu ihm! Ich werde allein mit ihm sprechen.«
    »Das ist keine gute Idee, wenn ich es Ihnen doch sage!«
    Der Tunesier hatte sichtlich Angst. Angst, seinen Job zu verlieren? Angst, einen unbequemen Gangsterboss gegen sich aufzubringen?
    Sebastian versuchte, ihn zu beruhigen.
    »Sie sind ein prima Typ, Youssef. Bringen Sie mich zu Mounir. Ich muss meinen Sohn wiederfinden.«
    »Okay.« Der Tunesier kapitulierte.
    Sie verließen das Café, um zur Station Barbès zurückzukehren. Es war vierzehn Uhr. Auf dem Boulevard wimmelte es von Menschen … Einige Frauen waren verschleiert, andere trugen Miniröcke.
    »Wo haben Sie Englisch gelernt, Youssef?«
    »An der Universität von Tunis. Ich hatte dort gerade meinen Master in englischer Literatur und Kulturgeschichte gemacht, als ich vor sechs Monaten aus meinem Land flüchten musste.«
    »Ich dachte, es ginge inzwischen besser in Tunesien …«
    Youssef schüttelte den Kopf. »Der Sturz von Ben Ali und die Jasminrevolution haben keine Arbeitsplätze herbeigezaubert«, erklärte er bitter. »Die Lage ist weiterhin schwierig. Selbst mit Diplom haben junge Menschen wenig Perspektiven. Ich habe es vorgezogen, mein Glück hier in Frankreich zu versuchen.«
    »Haben Sie Papiere?«
    Er schüttelte den Kopf. »Keiner von uns hat welche. Wir sind alle im letzten Frühjahr über Lampedusa gekommen. Ich suche eine qualifizierte Arbeit, aber ohne Papiere ist das nicht einfach. Ich bin nicht stolz darauf, aber dieser Schwarzhandel ist das Einzige, was ich finden konnte. Hier herrschen das Gesetz der Straße und das Recht des Stärkeren. Du musst deinen Platz finden zwischen Taschendiebstahl, Cannabishandel, Hehlerei mit Handys, gefälschten Papieren, dem Verkauf von Glimmstängeln.«
    »Und die Polizei?«
    Der Tunesier grinste. »Um ihr Gewissen zu beruhigen, machen die Bullen alle zehn Tage eine Razzia. Du bleibst eine Nacht in Polizeigewahrsam, zahlst eine Geldstrafe, und am nächsten Tag bist du wieder auf der Straße.«
    Youssef lief sehr schnell, er hatte es eilig, seine Aufgabe zu erledigen. Sebastian konnte dem Tunesier kaum folgen. Je weiter sie kamen, desto unruhiger wurde er. War das alles nicht zu schön, um wahr zu sein? Aus welchem Grund sollte sein Sohn in das Hauptquartier eines obskuren Zigarettenschmugglers geraten sein, sechstausend Kilometer von New York entfernt?
    Als sie auf einen kleinen, sonnigen Platz kamen, zog sein Begleiter ihn in eine schmale, schattige Gasse.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Youssef und zückte sein Messer.
    »Aber …«
    Der Tunesier pfiff, und sofort tauchten hinter Sebastian zwei Männer auf.
    »Ich hatte Sie gewarnt: Hier gilt das Recht des Stärkeren.«
    Der Amerikaner öffnete den Mund, doch ein kräftiger Fausthieb traf seine Leber. Er versuchte einen Gegenschlag; Youssef aber kam ihm zuvor: Eine Faust landete mitten in seinem Gesicht, sodass er zu Boden ging.
    Die beiden Komplizen des Maghrebiners zogen ihn hoch, um ihn besser in die Zange nehmen zu können. Und dann begann eine handfeste Prügelei: Ellbogen in die Magengrube, Fußtritte und Ohrfeigen, Beleidigungen. Sebastian, der nicht in der Lage war, sich zu schützen, schloss die Augen und steckte die Schläge ein, die auf ihn niederprasselten. Er erlebte diese Hiebe wie eine Sühne, wie einen schmerzlichen Kreuzweg – wie seine Via dolorosa …
    Er hatte sich reinlegen lassen. Nachdem er so gedankenlos seine Geldscheine gezeigt hatte, bekam er nun, was er verdiente. Natürlich war der Tunesier Jeremy niemals begegnet. Er hatte den Vornamen gehört, als Sebastian ihn bei seinem Gespräch mit dem Zeitungsverkäufer vor dem Kiosk erwähnt hatte. Dort, wo er so unbedacht seine Brieftasche gezückt hatte. Youssef hatte seine Leichtgläubigkeit ausgenutzt, und für ihn, Sebastian, gab es keine Entschuldigung. Er hatte weder Weitsicht noch Verstand bewiesen, sondern sich blind in die Höhle des Löwen gestürzt! Mit seinem Bündel Geldscheine, seinem Anzug und seinem idiotischen amerikanischen Gehabe war er das perfekte Opfer.
    Nachdem sie ihn verprügelt und ausgeraubt hatten, machte Youssef seinen Komplizen ein Zeichen. Die beiden Männer ließen von ihm ab und rannten davon.
    Mit aufgeplatzter Augenbraue, geschwollenen

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