Sieben Jahre später
Ihnen helfen?«, fragte er etwas mürrisch.
Eindrucksvolle Statur, rotes Haar, kreidebleiches Gesicht: Der Mann wirkte kraftvoll, sein wildes Aussehen erinnerte an einen alten Shakespeare-Schauspieler …
»Wir haben uns wohl geirrt«, entschuldigte sich Sebastian in fehlerhaftem Französisch.
»Sind Sie Amerikaner?«, erkundigte sich der Mann mit seiner rauen Stimme. Er setzte seine Brille auf und musterte seine Besucher. »Aber ich kenne Sie doch!«, rief er.
Sofort dachte Sebastian an sein Porträt auf der Titelseite von Le Parisien . Vorsichtig wich er einen Schritt zurück und bedeutete Nikki, seinem Beispiel zu folgen.
Mit katzenartiger Behändigkeit, die mit seinem Gewicht kontrastierte, sprang der alte Mann hinter seine Theke und wühlte in einer Schublade, um ein Foto herauszuholen.
»Das sind Sie doch, oder?«, fragte er und hielt Sebastian das Bild hin.
Es handelte sich nicht um den Zeitungsartikel, sondern um ein etwas verblasstes Foto von ihm und Nikki, das von den Jardins des Tuileries aus gemacht worden war, das Musée d’Orsay im Hintergrund. Er drehte das Foto um und erkannte auf der Rückseite seine eigene Schrift: Paris, Quai des Tuileries, Frühjahr 1996. Das Foto stammte von ihrer ersten Frankreichreise. Damals waren sie jung und verliebt gewesen. Sie lächelten, und das Leben schien sie zu umarmen.
»Woher haben Sie dieses Foto?«, fragte Nikki.
»Na, aus dem Roman!«
»Aus welchem Roman?«
»Den ich vor einigen Tagen via Internet gekauft habe«, erklärte er und ging zu einer Vitrine.
Nikki und Sebastian, die an seinen Lippen hingen, folgten ihm.
»Übrigens kein schlechtes Geschäft«, fuhr der Buchhändler fort. »Ein Verkäufer hat es mir für die Hälfte seines Wertes angeboten.«
Vorsichtig öffnete er die Vitrine, bevor er ein Buch mit einem eleganten Einband in Rosa und Schwarz herausnahm.
»Eine limitierte Auflage von Die Liebe in den Zeiten der Cholera von Gabriel García Márquez. Vom Autor signiert. Davon gibt es weltweit nur dreihundertfünfzig Exemplare.«
Ungläubig nahm Sebastian das Buch in Augenschein. Es war das Exemplar, das er Nikki nach ihrer Nacht in dem kleinen Hotel der Butte aux Cailles geschenkt hatte. Nach ihrer Scheidung war er nicht gerade ein guter Verlierer gewesen. Aus dem Bedürfnis heraus, seine Liebe zu verleugnen, hatte er sich das Buch zurückgeben lassen, das im Internet für mehrere tausend Dollar gehandelt wurde. Aber wie konnte es sich in dieser Buchhandlung befinden, da er es doch bei sich in Manhattan im Safe aufbewahrte?
»Wer hat Ihnen das Buch verkauft?«
»Ein gewisser Sebastian Larabee«, erklärte der Buchhändler, nachdem er sein Notizbuch konsultiert hatte. »Das wenigstens hat der Verkäufer in seiner E-Mail behauptet.«
»Völlig unmöglich: Larabee, das bin ich, und ich habe Ihnen nichts verkauft!«
»Wenn das so ist, muss sich jemand widerrechtlich Ihre Identität angeeignet haben, aber da kann ich nichts für Sie tun.«
Nikki und Sebastian tauschten verständnislos einen Blick. Welchen Sinn hatte dieses erneute Rätsel? Welche Spur sollten sie nun weiterverfolgen? Nikki nahm eine Lupe, die auf der Theke lag, und untersuchte das Foto genauer. Die Sonne ging an einem purpurroten Himmel unter. An der Fassade des Musée d’Orsay erkannte man die beiden großen Uhren, die halb sieben anzeigten. Eine Uhrzeit, ein Ort: der Jardin des Tuileries um achtzehn Uhr dreißig. Vielleicht war dies ein neuer Treffpunkt …
Sie öffnete gerade den Mund, um Sebastian ihre Überlegungen mitzuteilen, als jemand die Tür der Buchhandlung aufstieß. Sie hoben den Kopf und schauten zu dem Neuankömmling. Es war eine junge blonde Frau in Jeans und Lederjacke.
Die Polizistin, die sie am Vorabend auf dem Schiff hatte festnehmen wollen …
Kapitel 46
Des Fantômes et des Anges.
Seltsamer Name für eine Buchhandlung , dachte Constance, als sie die schwere Kunstschmiedetür aufstieß. Kaum hatte sie den Fuß über die Schwelle gesetzt, staunte sie über die Wände voller Bücher, die ein faszinierendes Labyrinth des Wissens bildeten. Sie schaute die Regale entlang und bemerkte eine Gruppe von drei Personen. Ein korpulenter älterer Herr, dessen Gesicht hinter einer dicken Hornbrille verschwand, unterhielt sich in der Nähe der Theke mit zwei Kunden. Die Polizistin und das Paar wechselten einen Blick, und ehe es sich Constance versah, ergriffen die beiden bereits die Flucht.
Es waren die Larabees!
Sie zog die Waffe und machte sich an die
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