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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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Juckreiz zu verschaffen. Wer es billiger wollte, konnte Socken mit der
gleichen Technologie erwerben, deren antibakterielle Wirkung sich wohlwollend
auch auf jene Bakterienkulturen erstreckte, die für den herzhaften Duft
ausgelaugter Füße nach einem langen Arbeitstag verantwortlich war.
    Aber auf einem Innovationskongreß konnte man mit solchen
Geschichten niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Die Branche war noch
jung, und dürstete nach neuen Entwicklungen.
    Wie in allen Technologie-Branchen war auch in diesem Markt
der größte Auftraggeber das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten
von Amerika. Man vermutete das nicht unbedingt, wenn man durch die
Edelboutiquen der Altstadt schlenderte. Aber die amerikanischen Kampfmonturen
des 3. Jahrtausends verlangten nach einem nachhaltigen Facelifting und die
europäischen Armeen plagten ähnliche Sorgen. Ziel war es, das Gewicht einer
Kampfuniform von aktuell 50 kg in wenigen Jahren zu halbieren und sie
gleichzeitig mit modernster Technik vollzustopfen. Für eine GPS-Peilung war in
der Zukunft kein besonderes Gerät mehr notwendig. So etwas erledigten zukünftig
die Klamotten ohne großes Aufhebens mit.
    Unsere Firma war zwar nicht im militärischen Bereich aktiv,
aber man tauschte sich intensiv aus. Ein großer deutscher Chip-Hersteller hat
leitende Fasern bis zur Marktreife entwickelt, die eine eigene Verkabelung
innerhalb der Kleidung unnötig machte, um elektronische Schaltelemente im Stoff
mit Strom zu versorgen. Das war sicherlich praktisch für den Soldaten der
Zukunft, aber genauso praktisch für den Business-Mann von morgen.
    Jedenfalls wenn es nach uns ging.
    Ich hatte mittlerweile die Referentenbetreuung ausfindig
gemacht. Eine ebenso kompetente wie korpulente Dame versorgte mich mit
Namensschild, Agenda und wichtigen Hinweisen zum Tagesablauf, während ich an
meinen Kaffee nippte.
    Bei Streß litt ich selbst hin und wieder unter
Achselschweiß, und hätte daher gerne über unsere neuen Fortschritte mit
Cyclodextrinen berichtet. Aber das Zeug - im Prinzip nichts weiter als ringförmig
angeordnete Zuckermoleküle - war noch meilenweit von der Serienreife entfernt.
Und nach ein paar Mal Waschen war von den Zuckermolekülen ehrlich gesagt auch
nicht mehr viel übrig. Ich hatte trotzdem etwas sehr Interessantes im Gepäck.
Ein Produkt, das nahezu marktreif war. Ich war gespannt, wie die Zuhörer es
aufnehmen würden.
    Die Konferenzmanagerin hatte mich zum Podium buxiert und
stellte mich den anderen Referenten vor. Obwohl mein Lebenslauf, der in jeder
Referentenmappe steckte, auch mein Geburtsdatum enthielt, gratulierte mir
niemand zum Geburtstag. Ich war nicht wirklich böse. Ich hatte selber auch
nicht in die Unterlagen der anderen Referenten hineingeschaut. War ja doch
immer dasselbe. Wer weiß, vielleicht hatte noch einer der Kollegen auf dem
Podium heute Geburtstag, und keiner wußte es.
    Auf der Bühne herrschte ein unglaubliches Gewimmel. Eine
Menge Techniker machten sich an einem Kabelstrang zu schaffen, und überall
stolperten Hostessen in ihren hochhakigen Mietpumps herum, richteten Unterlagen
her und sorgen alleine durch ihre Anwesenheit und ihr einstudiertes
Dauerlächeln für die notwendige Hintergrundatmosphäre. Ein Detail, das man
nicht unterschätzen sollte.
    Kurz hatte ich das Gefühl, ein bekanntes Gesicht in dem
Gewusel auszumachen, aber als ich einen Blick in die Richtung warf, war niemand
zu sehen.
    Im Saal unten herrschte ebenfalls hektische Betriebsamkeit.
Der Raum begann sich rasch zu füllen, während sich die Bühne langsam leerte und
wir unsere Plätze auf dem Podium einnahmen.
    Dann der Gong, Saallicht aus, Podiumsbeleuchtung an. Es
konnte losgehen.
    Das Grußwort sprach ein Professor Meier für Textiles
Gestalten von irgendeiner namenlosen Fachhochschule, die mit dem Veranstalter
kooperierte. Ich war immer wieder überrascht, für was es alles Lehrstühle gab.
Textiles Gestalten. Es trieb bisweilen seltsame Blüten, wenn Hochschulen neue
Lehrstühle kreierten, die vor allem dem Zweck dienten, bei der
Drittmittelvergabe vorne mit dabei zu sein.
    Amira gönnte sich wahrscheinlich gerade eine schöne Dusche
und überlegte, welche Schuhe wohl am besten zu einem Einkaufsbummel auf der Kö
paßten. Das war sicher keine leichte Entscheidung.
    Ich lauschte den Vorträgen der Kollegen. Ich stellte
befriedigt fest, dass keiner meiner Vorredner sensationelle Neuigkeiten zu
berichten hatte. Alles sehr fundiert, sehr bodenständig.

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