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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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Strafraum eingedrungen.
    „... schlägt keine Falten!“ Ich ließ das Gehuste in ein
kehliges Räuspern ausklingen und versuchte tapfer weiterzumachen. Ein paar
Lacher aus der ersten Reihe gaben mir die Gelegenheit, mich wieder zu sammeln.
Das war nicht ganz einfach. Amiras Fingernägel bearbeiteten nämlich akribisch
eine neue Stelle. Quasi den Elfmeterpunkt. Sie konnte doch nicht wirklich allen
Ernstes mitten auf der Bühne ein Tor schießen wollen?!
    Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Vielleicht war sie ja nur
auf ein Unentschieden aus.
    "Zurück zu unserem Hemd", mahnte ich die Zuhörer.
Und mich!
    „Wir benötigen keinerlei Verkabelung, das erledigen alles
das Gewebe, dessen Fasern Strom leiten können. Schwachstrom, keine Angst! Der
Oberarm ist gleichzeitig die Antenne. Was die Strahlenbelastung betrifft, die
ideale Stelle. Möglichst gleich weit entfernt von unseren beiden
empfindlichsten Körperteilen. Vom Kopf und von... na sie wissen schon!".
    Ja, das Publikum wußte, wovon ich sprach. Heiterkeit im
Saal. In Anbetracht der Umstände fand ich mich gar nicht schlecht und begann,
die Situation ein bißchen zu genießen.

    Ich nahm den Ball wieder auf. „Im Kragen befindet sich ein
Richtmikrofon, in der Manschette sind eine Folientastatur und ein
Plexiglas-Display untergebracht. Die Tastenbeschriftung ist in Hemdfarbe
gehalten, und durch die Ultra-Flachbauweise erzielen wir einen edlen
Designeffekt. Futuristisch, dabei aber unaufdringlich. Gut zu bedienen.
Problemlos.“
    Man sagt uns Männern ja gerne nach, wir könnten uns nicht
auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren. Unsinn, wir können! Weiter im
Spiel.
    „Nervige Klingeltöne gehören bei unserem Hemd der Vergangenheit
an. Das ist indiskret und aufdringlich. Bei uns vibriert es einfach sanft im
Hemdsaum.“
    Und der steckte in der Hose.
    Das war auch dem Publikum klar. Anzügliches Feixen erfüllte
den Saal. Ja, das gefiel den Leuten. Auf der Leinwand zeigte der Beamer im
Großformat, wie es funktionierte. Das schien Amira anzuspornen, sich jetzt auch
noch mit meinem Reißverschluß zu beschäftigen. Jetzt hörte der Spaß aber auf.
    Ein Zucken lief durch meinen Körper. Mein doppeltes Spiel
forderte seinen Tribut und ich kam ins Schwitzen. Unter meinen Achseln bildeten
sich leichte Verfärbungen und ich wünschte mir, unser Handy-Hemd wäre bereits
mit den Cyclodextrinen ausgestattet. Ich wischte mir eine Schweißperle von der
Stirn.
    Der Techniker interpretierte das als das vereinbarte Zeichen
und blendete auf der Leinwand eine Telefonnummer ein. Es war die Nummer meines
Hemdes.
    Die Nummer blinkte rot und verheißungsvoll wie in einer
0190-Werbung. Im Hintergrund war ein roter Kirschmund zu sehen, der sich
sinnlich einem Telefonhörer näherte. Wir waren zwar eine seriöse Firma, aber
wir waren auch Marketing-Experten.
    Das Publikum war nicht auf den Kopf gefallen. Die ersten
hatten bereits ihr Handy gezückt, die angegebene Nummer eingetippt und auf
Verbindungsaufbau gedrückt, bevor ich noch Live-Demo sagen konnte.
    Ich nahm an, dass mein Hemd bereits wie wild vibrierte. Aber
ich spürte nichts. Bei mir vibrierte alles. Ich mutmaßte, dass unsere
Laborleute nicht jede Situation vorab ausgiebig testen konnten. Und wenn
ich diese Sache hier überstanden hatte, würde ich wohlweislich auf ein
entsprechende Feed-Back verzichten. Das sollten die Kollegen mal schön selbst
rausfinden.
    Ich drückte auf gut Glück die Gesprächsannahme-Taste in
meiner Manschette. Ich war mir ziemlich sicher, dass jemand in der Leitung sein
würde.
    "Aschberg?", meldete ich mich höflich, mein
Gesicht samt glasiger Augen in Großformat auf der Leinwand.
    "Professor Meier", tönte es aus dem Verstärker in
meinem Ohr. Aus den Saallautsprechern auch.
    "Wie geht es Ihnen? Was macht Ihr Vortrag. Wir haben
uns ja gerade auf einer Veranstaltung kennengelernt, haha." Der Mann war
ja ein richtiger Entertainer! Auf der Leinwand erschien das übergroße Gesicht
unseres textilen Gastgebers, der mit Handy am Ohr schräg hinter mir auf dem
Podium saß. Wer hätte gedacht, dass der Mann so schnell tippen konnte.
    Ich drehte mich langsam zu ihm um. Der Professor winkte. Ich
winkte zurück.
      Die Leinwand zeigte
uns abwechselnd in der Halbtotalen.
    Er winkte nochmal.
    "Kommen Sie, kommen Sie", rief er freudig. Es war
klar, dass der Professor erwartete, dass ich jetzt zu ihm hinüber marschiert
kam. Er wollte das sprechende Hemd in Bewegung sehen.
    Ich fand das keine so gute Idee.

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