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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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angenehmer Zeitgenossen,
jedenfalls solange das Thema nicht auf seine Ex zu sprechen kam. Ich neidete
ihm seinen freien Nachmittag nicht.
    Ich selbst würde heute so schnell kein Land sehen. Auf
meinem Tisch stapelten sich mehrere knifflige Fälle. Da ich bislang recht wenig
mit Versicherungen im allgemeinen und betrieblicher Altersvorsorge im
besonderen zu tun gehabt hatte, waren fast alle Fälle für mich knifflig.  
    Säuberlich aufgeschichtet in einem Körbchen mit der
Aufschrift ‚Eingang‘ warteten sie mit einem malizösen Lächeln auf dem Deckblatt
auf mich. So viel zum Thema ‚papierloses Büro’.
    Wieviele Vorgänge im Laufe einer Woche in welchem
Eingangskörbchen landeten, war das Ergebnis einer hochentwickelten
Kapazitätsplanung, die das Räderwerk des gesamten Bereichs am Laufen hielt.
Niemand kannte den genauen Verteilschlüssel. Man munkelte, dass eine
komplizierte Mischung aus Entscheidungsbäumen und heuristischen Methoden zum
Einsatz kam. Dass für die Berechnung der Quoten mehrere Rechenzentren von Nöten
waren. Wie sonst konnte die Wochenplanung so viel Zeit in Anspruch nehmen?
Immerhin, noch war der Prozeß scheinbar   innerhalb einer Woche zu bewältigen, sonst wären wir bald in eine
Endlosschleife geraten und hoffnungslos abgestürzt.
    Vielleicht spielte auch das Wetter eine Rolle und dieser
Schmetterling, von dem man in den Artikeln über das Chaos immer so viel las.
Dieser kleine Bursche, der für die ganzen Unwetter in China verantwortlich war.
Aber niemand wußte etwas Genaues. Chefsache. Selbst ich war nicht eingeweiht,
obwohl ich der Stellvertreter unseres Chefs war. Gehörte mit zum Deal, ich
hatte darauf insistiert. Mein Argument, dass ich so doch am schnellsten die
wichtigen Dinge lernen würde, war bei den Einstiegsverhandlungen auf
fruchtbaren Boden gefallen.
    Außerdem hätte ich anders kaum meinen Anspruch auf einen
Dienstwagen halbwegs vernünftig untermauern können. Das Fundament war schon
etwas wackelig. Auch wenn mich das Alter ruhiger und weiser gemacht hatte – so
ruhig, dass ich auf den Dienstwagen verzichtete, sicher nicht!
    Aber ich driftete schon wieder in die deskriptive Prosa ab.
    „Ihr habt doch gleich Managementrunde, oder?“ Ein betörendes
Parfum hatte sich ins Büro geschlichen und umwehte uns mit einem Hauch von
Dschungelcamp und Versage. Gleich darauf steckte Tamara den zugehörigen perfekt
gestylten Kopf durch die Tür.
    Das war ein weiteres Privileg. Ich durfte meinen Chef jeden
Freitag in die sogenannte Managementrunde begleiten. Anders als beim Dienstwagen ein Privileg, auf das ich gut hätte
verzichten können.
    „Ja“, nickte ich. „Wie jeden Freitag.“
    „Dann kannst Du ja nochmal das Thema Weiterbildung anschneiden,
oder?“, flötete Tamara. „Wir brauchen dringend ein paar Schulungen Kein Mensch
bei uns kennt die neuen Tarife der Pensionskasse. Wir schreiben unsere Angebote
eigentlich nur noch aus dem Bauch heraus!“
    In Tamaras Fall wurde dieser von einem kleinen goldenen
Piercing verziert. Vielleicht half das bei den Angeboten. Für das Betriebklima
half es auf jeden Fall. Es war zu sehen, wenn sie eine von diesen Streckbewegung
machte, die für einen Moment ihr Top über den Bauchnabel hochrutschen ließ. Wir
liebten diese Bewegung. Tamara wußte das und tat uns hin und wieder den
Gefallen. Aber sie übertrieb es nicht. Manchmal erinnerte sie mich trotzdem an
einen Schmetterling.
    „Hast Du denn schon mit Gertenschläger gesprochen?“, wollte
ich von Tamara wissen. Jonas Gertenschläger, mein Chef, unser Abteilungsleiter,
Verteidiger der Pensionärsinteressen, Lichtgestalt der betrieblichen
Altersvorsorge. Vielleicht konnte ich Tamara, so sehr ich sie mochte, abwimmeln
und sie direkt auf Gertenschläger loslassen.
    „Hab‘ ich, weißt Du doch! Aber wir müssen jetzt dringend
etwas tun. Die Kollegen murren schon.“ Tamara klackte unwillig mit ihren
clubtauglichen Stilettos, die zur normalen Fortbewegung in einem Bürogebäude
eigentlich völlig ungeeignet waren. Wenn sie so weitermachte, würde sie uns
noch ein Loch in den Linoleumboden stanzen.
    „Okay, ich nehm’s mit“, nickte ich.
    ‚Sie haben eMail erhalten!‘ ertönte es von meinem
Schreibtisch. Unsere Computer konnten neuerdings sprechen. Nicht besonders viel
und nicht besonders originell, aber sie konnten sprechen.
    Frank tauchte neben Tamara im Türrahmen auf. Er tauchte
gerne neben Tamara auf.
    „Na, gleich Managementrunde?“, strahlte Frank. Er sprach zwar
mit

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