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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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Aber da war der Kameramann
auch schon bei mir, um einige Großaufnahmen einzufangen. Noch einen Schritt
näher, und er würde den Leuten wirklich etwas bieten können.
    Wenn das passierte, würde diesen Vortrag niemand so schnell
vergessen. Vor allem ich nicht. In meinem vorgezogenen Ruhestand hätte ich viel
Zeit, mich immer wieder an diese einmaligen Augenblicke zu erinnern.
    Aber Amira überprüfte bereits, ob mein Reißverschluß wieder
an Ort und Stelle wahr. Sie war wirklich auf Zack. Wahrscheinlich hatte sie ebenfalls
kein Interesse an einer überraschenden Filmkarriere. Mit diesem Entrée würde es
schwierig werden, sich für Charakterrollen zu bewerben. Obwohl ich mir nach dem
heutigen Auftritt nicht mehr sicher war, ob Amira wirklich der Typ für
Charakterrollen war. Sie schien mir da – sagen wir - flexibel veranlagt zu sein.
    Ich sah zu, dass ich von dem Pult wegkam. Das gelang mir
auch. Was mir nicht gelang, war, ein paar Großaufnahmen von mir und meiner Hose
zu verhindern. Schließlich war es der Job des Kameramanns, dem ganzen Saal
nahezubringen, was genau sich in Hemd und Hose bei dieser Live-Demo abspielte. Und in der Hose tat sich einiges.
    "Oha!", hörte ich den Professor. "Respekt,
Respekt."
    Der Saal tobte. Hauptsächlich Männer. Ich gebe zu, die Story
würde sonst auch nicht so gut funktionieren. Diese Geschichte aus diesem
Kapitel meines Lebens war vor allem dem männlichen Publikum gewidmet. Dabei war
das Ganze ja nicht meine Idee gewesen. Amira hatte sich das ganz alleine
ausgedacht. Oder vielleicht nicht groß gedacht. Einfach gemacht. Sie war eine
spontane Person. Das fand ich eigentlich prima. Gerade jetzt aber auch ein
bißchen peinlich. Ich versuchte probehalber, im Erdboden zu versinken. Es
funktionierte nicht. Blieb nur die Flucht nach vorn.
    Ich schenkte dem Publikum mein breitestes Lächeln.
    "Der Vibrationsalarm hat noch so seine Nebeneffekte.
Wir arbeiten daran!"
    "Wer weiß", gluckste der Professor selig.
"Vielleicht sollten Sie dieses Feature eingebaut lassen. Das könnte ein
echter Renner werden!"
    Der Saal war nicht mehr zu halten. Zwischen dem Johlen
brandete Applaus auf. Erst vereinzelt, dann lauter. Ein Crescendo der
Begeisterung rauschte in meinen Ohren. So peinlich war es gar nicht. Ich
deutete eine Verbeugung an und sah zu, dass ich von der Bühne kam. Abgang,
wenn's am Schönsten ist. Die Technik reagierte, und auf der Leinwand erschien
wie aufs Stichwort unser Firmenlogo. Ein voller Erfolg.
    Ich schaute, dass ich mich rar machte, bis sich alles wieder
halbwegs beruhigt hatte. Vor allem bei mir. Man sollte es überreizen.
    Die Menge strömte zur Mittagspause. Für Gesprächsstoff bei
Tisch war gesorgt. In dem ganzen Gewimmel verließ Amira unbemerkt wieder ihr
lauschiges Plätzchen. Völlig korrekt gekleidet im hochgeschossenen
Business-Kostüm schlenderte sie wie zufällig an mir vorbei.
    "Du hältst unterhaltsame Vorträge“, meinte sie ohne zu
erröten.
    "Du glaubst gar nicht, wie … ähm aufregend… das
manchmal ist", gab ich zurück.
    Amira grinste. „Glaub‘ ich. Aber ich muß jetzt dringend
shoppen gehen“, sagte sie. „Ich bin ja nicht nur zum Vernügen hier.“
    Wie ein Schmetterling im Wind schwebte sie davon.
    Ich sah Ihr eine Weile hinterher.
    Hm, alles in allem ein guter Vortrag, dachte ich bei mir.

     

 
    Leben Nr. 5: Stellvertreter Ein
Leben im Innendienst

     
    Ich saß an meinem Schreibtisch. Nicht gerade ein
Prachtexemplar, was Schreibtische anging. Ich wollte jetzt gar nicht an
Vogelaugenahorn denken oder an englische Zeder. Selbst   Standard-Businessline in Buchefurnier wäre ein
Fortschritt gegenüber dieser grauen Polystyrolplatte gewesen. Bis vor kurzem
hatte ich nicht mal gewußt, was Polystyrol überhaupt war und hatte nichts
vermißt.
    Aber es war nun mal mein Schreibtisch und es kam schließlich
nicht so sehr darauf an, wie er aussah, sondern was man daran machte. So viel
hatte ich mittlerweile begriffen. Ein ganz ordentlicher Entwicklungsschritt für
jemanden wie mich, der gerade ein Leben im   Marketing verbracht hatte.
    Welch ein Kontrast.
    Eben noch als Berater und Marketing-Koryphäe in den
Hotellobbies der vier- und fünf-Sterne Häuser dieser Welt unterwegs, und jetzt
an einem Schreibtisch aus Polystyrol.
    Ein neues Kapitel, ein neues Leben.
    Aber ich hatte es ja so gewollt. Redete ich mir jedenfalls
ein. Ich hatte so viele Jahre aus dem Koffer gelebt, dass ich kaum noch wußte,
wie ein regulärer Büroarbeitsplatz

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