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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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uns tun könnte. Oder mit jedem anderen lebenden Wesen.«
    Darauf gab es nichts zu erwidern, und so schwiegen sie, bis das Licht der Feuer in einiger Entfernung vor ihnen durch die Baumstämme schien.
    »Von jetzt an müssen wir vorsichtiger sein«, sagte Goten. »Sie haben sicher Wachen aufgestellt.«
    Gebückt schlichen sie weiter. Dea hatte ihren alten Dolch unter ihrem Fellwams hervorgezogen und hielt ihn in der Hand, als wäre er die gefährlichste Waffe der Welt. Obwohl die Klinge stumpf und auch ein wenig rostig war, machte ihr der lederumwickelte Griff in ihrer Hand Mut. In diesem Moment hatte sie das Gefühl, als könnte sie es mit drei Nordmännern gleichzeitig aufnehmen.
    Diese Vorstellung löste sich freilich in Wohlgefallen auf, als sie den ersten ihrer Feinde aus der Nähe sah.
    Noch nie hatte sie einen so großen Mann gesehen. Gewiss, auch Goten war hoch gewachsen, doch der Nordlandkrieger überragte ihn um mehr als eine Haupteslänge. Er stand an einem der äußeren Feuer, in buschige Felle gehüllt, und stützte sich auf eine Lanze, die Dea allein wahrscheinlich nicht einmal hätte anheben können. Er hatte ihnen die linke Gesichtshälfte zugewandt und schien im Stehen zu schlafen. Er trug einen Helm mit zwei gewaltigen Hörnern, und sein feuerroter Bart war buschig und reichte ihm bis auf die Brust. Seine Arme schmückten stahlbesetzte Reife aus Leder, und das Schwert, das vor ihm im Schnee stak, war so breit wie Deas Oberschenkel.
    Der Nordmann war allein am Feuer. Offenbar hatte er den Befehl, diesen Abschnitt des Waldrands zu bewachen. Vielleicht hätte es Goten sogar gelingen können, ihn im Schlaf zu überrumpeln – wären da nicht all die anderen Krieger gewesen, die etwa zwanzig Schritt entfernt standen und einen Angriff gegen den schwarzen Festungswall zu planen schienen. Die Flammen der Lagerfeuer warfen schimmernde Muster über ihre Kettenhemden und Schuppenpanzer. Beinahe jeder von ihnen trug einen gehörnten Helm über dem bärtigen Gesicht. Dea verstand jetzt, warum die Köhler sie für Dämonen gehalten hatten – und dabei hatte sie die Nordmänner noch nicht einmal während ihrer gefürchteten Kampfwut erlebt! Wenn sie erst zu Berserkern wurden, würden ihren Äxten, Schwertern und Kriegshämmern nicht einmal die alten Festungsmauern widerstehen können.
    »Schau!«, flüsterte Goten Dea ins Ohr und deutete mit einem Kopfnicken zum Zinnenkranz der Hexenfestung.
    Dort oben war eine einsame Gestalt erschienen, hatte beide Arme erhoben und den Kopf in den Nacken gelegt. Weite schwarze Gewänder flatterten im eisigen Nachtwind.
    »Ist das Abakus?«, wisperte Dea fast lautlos. Der schlafende Wachtposten stand etwa zehn Schritte von ihnen entfernt und rührte sich nicht; dennoch wollte sie es nicht darauf anlegen, ihn zu wecken.
    Goten gab keine Antwort. Sein Schweigen war Bestätigung genug.
    »Was tut er?«, fragte Dea.
    »Sieht aus wie eine Beschwörung.«
    »Und was beschwört er?«
    Gotens Blick traf sie kühl wie der Nordwind.
    »Dea, ich hab dich sehr lieb … Aber, bitte, halt für einen Augenblick den Mund!«
    Schmollend wandte sie sich von ihm ab und schaute wieder zu den Zinnen empor. Abakus stand unverändert da. Doch jetzt schien es plötzlich, als flimmere die Luft zwischen seinen erhobenen Händen wie von großer Hitze. Ja, genauso sah es aus: wie das Flirren über den Flammen eines Lagerfeuers.
    Im nächsten Moment nahm das Flimmern einen rötlichen Farbton an, wurde heller und heller – und erlosch auf einen Schlag.
    Dea stieß scharf die Luft zwischen den Zähnen aus. Was war geschehen? Sie hatte erwartet, dass magische Flammen aus Abakus’ Händen nach den Nordlandkriegern lecken und sie in Asche verwandeln würden. Oder dass Fangarme aus purem Zauber sie packen und zerquetschen würden. Irgendetwas, das Abakus’ Ruf als mächtigem Hexer gerecht werden würde.
    Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen verharrte Abakus einfach nur regungslos auf dem Turm.
    »Was soll das denn?«, flüsterte Dea irritiert.
    Goten legte den Zeigefinger an die Lippen und bedeutete ihr, still zu sein. Der Wächter am Feuer war erwacht und blickte jetzt ebenso wie seine Brüder hinauf zu den Zinnen. Offenbar fragten sich alle, was eigentlich geschehen war.
    Dea runzelte die Stirn. »Ist ihm sein Zauber nicht gelungen?«
    Ihr Vater seufzte. »Was muss eigentlich passieren, damit du endlich ruhig bist?«
    »Jemand müsste mir erklären, was hier vorgeht«, gab sie giftig zurück.
    Der

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