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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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des Guten, und in Wahrheit wusste sie das ganz genau. Ob es dieser verfluchte Ort war, der ihr solche Gedanken eingab? Durchsetzte sie der Einfluss des Arkanums schon nach so kurzer Zeit mit der Essenz des Bösen, mit Zweifel und Verschlagenheit?
    »Goten«, sagte Abakus, »wir haben viel zu bereden. Bleib hier bei mir, und setz dich.« Er gab den Hexen einen herrischen Wink. »Und ihr nehmt euch der Kleinen an. Verschwindet mit ihr, und lehrt sie eure Kunst.« Er brach in schallendes Gelächter aus, bis es Dea in den Ohren schmerzte. Dennoch wäre sie lieber hier bei Goten geblieben, als mit den Hexen fortgehen zu müssen. Angst krallte sich um ihr Herz und raubte ihr fast den Atem. Sie würde mit den sechs schrecklichen Frauen allein sein. Niemand war da, der ihr Ratschläge geben oder sie im Notfall gar beschützen könnte. Sie war auf sich allein gestellt.

Die Hexen erhoben sich von ihren Plätzen. Zwei traten von hinten neben Dea und legten ihr die Hände auf die Schultern. Mit sanftem Druck führten sie sie zum Ausgang der Halle.
    Dea schaute sich ein letztes Mal um, in einem Anflug reiner Panik, doch Goten erwiderte ihren flehenden Blick nicht. Er gab sich kühl und unnahbar, ganz so, wie Abakus es von ihm erwartete.
    Die Hexen geleiteten Dea durch das Tor und dann einen langen Gang hinunter, an dessen Ende nichts zu sein schien als Furcht und Kälte und pechschwarze Schatten.
    »Wie werden dich lehren, wie wir zu sein«, säuselte eine der Hexen verführerisch in ihr Ohr, und das Echo raste den Steinflur hinunter und kehrte verzerrt wieder zurück.
    Deas Herz gefror zu Eis.
    Wie wir … wie wir … wie wir …
     
    Es war schlimm, natürlich.
    Allein die alten schwarzen Mauern und der ständige eiskalte Luftzug, der durch die Gänge und Kammern pfiff, waren Grund genug, davonzulaufen. Auch die Anwesenheit der Hexen machte Dea zu schaffen, die Blicke ihrer lauernden Augen, die nach außen hin freundlich wirkten, in deren Zentrum aber ein schwarzes verzehrendes Feuer loderte. Schönheit und Bösartigkeit vereinten sich in diesen sechs Geschöpfen wie in keinem anderen lebenden Wesen.
    Oh ja, es war schlimm.
    Und doch, es hätte noch furchtbarer, noch abscheulicher, noch Ekel erregender kommen können. Denn zu Deas maßlosem Erstaunen gaben sich die Hexen die größte Mühe, freundlich zu ihr zu sein. Mehr noch, sie behandelten sie nicht einmal wie ein Kind! Und das war, von der Zeit mit Goten abgesehen, eine wirklich neue Erfahrung für Dea.
    Die Hexen wiesen ihr eine Kammer im ersten Stock der Festungsruine zu. Als sie eintraten – erst Dea, dann die sechs Frauen eine nach der anderen hinter ihr her –, brannte bereits ein Feuer im Kamin. Die Bettstelle war mit Kissen und seidigen Decken gepolstert, und in mehreren weit geöffneten Truhen entdeckte sie neue Kleidung, glitzerndes Geschmeide und … Bücher! Überall Bücher! Sie hatte geglaubt, es könne unmöglich mehr geben als jene, die hinten auf Gotens Wagen lagen – denn wer, zum Teufel, sollte die alle lesen? Aber hier wurde sie eines Besseren belehrt. Offenbar gab es mehr unterschiedliche Bücher als Sterne am Himmel.
    »Das gehört alles dir«, sagte eine der Hexen.
    Dea beugte sich über die erste Kiste und zog ein Kleid hervor, ähnlich wundersam gefertigt wie jene der Hexen. Sie legte es mit zitternden Fingern beiseite, achtete überhaupt nicht auf das Goldgeschmeide in der Kiste, sondern versuchte stattdessen, die Titel der Bücher zu lesen. Es waren große, schwere Bände, mit handgemalten Buchstaben und wunderschönen Bildern. Die Hexen schienen bemerkt zu haben, dass Dea keine Begeisterung für den Schmuck zeigte, denn als Dea die Bücher zurück in die Kiste legte, war das Geschmeide verschwunden. Ganz so, als wäre es nie da gewesen. Die Hexen hatten es einfach fortgezaubert, genauso mühelos, wie sie zuvor alles herbeigehext hatten.
    Dea hielt sich das schwarze Kleid vor den Körper.
    »Muss ich das tragen?«
    »Nur, wenn du möchtest«, entgegnete eine der Hexen mit jener künstlichen Herzlichkeit, die ihnen allen zu Eigen war.
    »Ich würde lieber weiter Hose und Wams anziehen«, meinte Dea. Sie gab sich große Mühe, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. Sie wollte nicht, dass die Hexen bemerkten, wie durcheinander und verängstigt sie war.
    »Ganz wie du willst«, sagte eine andere Hexe und tätschelte ihr mit falscher Zärtlichkeit den Kopf.
    »Was dir gefällt, wird auch uns gefallen.«
    Dea wünschte sich insgeheim, dass das

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