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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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waren.
      
      
      
    Abakus erwacht
    Kyra fror. Auch Lisa hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und zitterte. Nur Nils stieg die Wendeltreppe hoch erhobenen Hauptes hinunter, wie ein römischer Feldherr, der voller Stolz in den Untergang schreitet. Kyra fand das ziemlich albern. Aber es musste eben jeder auf seine Weise mit seiner Angst fertig werden. Und ein wenig beneidete sie Nils schließlich auch um seine gekünstelte Gelassenheit.
    Die drei Hexen gingen hinter den Kindern. Kyra spürte einen leichten Luftzug am Hinterkopf, und zugleich drang ihr ein übler Geruch in die Nase, wie von einem Hafenbecken bei Ebbe – untrügliche Zeichen dafür, dass einer der Fliegenden Fische unmittelbar hinter ihr flatterte. Höchstwahrscheinlich waren die Kreaturen intelligent genug, um zu wissen, was die Kinder ihrem Artgenossen angetan hatten. Es stand zu befürchten, dass die Bestien eine Mordswut auf die Freunde hatten.
    Die Krypta – Abakus’ Gruft – lag etwa zehn Meter unter der Kirche, tief in den Hügel eingelassen. Es war ein sechseckiger Raum, rundherum durch schlichte Säulen abgestützt. Riesige Kerzen, so dick und so lang wie Männerbeine, flackerten an den Wänden. Ihr Lichtschein zuckte gespenstisch über dem gewaltigen Steinsarkophag, der die Mitte der Gruft einnahm.
    Die Bildhauer des Mittelalters hatten den Deckel der Grabstätte in Form eines liegenden Mannes gestaltet. Er hatte die Hände auf der Brust gefaltet. Um seine Mundwinkel spielte ein gütiges Lächeln. Falls dies tatsächlich ein Abbild des Hexenjägers war, so hatte er keineswegs so teuflisch ausgesehen, wie Kyra ihn sich vorgestellt hatte. Ein fingerlanger Bart, an der Spitze gegabelt, schmückte sein Kinn. Seine Nase war schmal, die Augenbrauen wulstig. Er trug ein langes Gewand, das bis zu seinen Füßen reichte. Für einen Mann seiner Zeit war er ungemein groß; vielleicht aber hatten es die Künstler mit seiner Größe auch nicht so genau genommen.
    Die Hexen hatten auf den Boden rund um den Sarkophag ein Pentagramm gezeichnet, einen fünfzackigen Stern. Kyra wusste, dass dies in der Magie ein mächtiges Symbol war. Die Linien waren dunkelbraun wie getrocknetes Blut. Hier und da klebten Hühnerfedern.
    »Sie wollen es tatsächlich tun!«, entfuhr es Nils.
    »Abakus soll wieder auferstehen«, murmelte auch Kyra, während Lisa sehr unglücklich dreinblickte.
    Eine der Hexen trat vor. »Noch heute wird es soweit sein«, sagte sie. »Der Magister wird wiederkehren. Er wird das Arkanum zu neuem Ruhm führen. Mit ihm an unserer Spitze wird die Welt uns Untertan sein.«
    Nils verzog das Gesicht. »Und dann? Wollt ihr alle Menschen in Frösche verwandeln? Wenn es nur das ist – ich kenne da einen hübschen Froschteich, gar nicht weit von hier. Damit würdet ihr euch eine Menge Mühe ersparen.«
    Die Hexe sah aus, als wollte sie Nils ohrfeigen, tat es dann aber doch nicht. Ein böses Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Spotte nur, kleiner Junge. Du wirst mich noch anflehen, ein Frosch sein zu dürfen.«
    Nils schluckte und sagte nichts mehr.
    »Los«, befahl die Hexe, die immer noch ihren verletzten Fisch im Arm hielt, »dort hinüber!«
    Sie zeigte auf einen dunklen Winkel zwischen zwei Säulen. »Magister Abakus soll nicht als Erstes eure hässlichen Gesichter sehen, wenn er die Augen au f schlägt.«
    Die Kinder gehorchten und drängten sich im Schatten aneinander. Die zwei unversehrten Fische zogen enge Kreise um ihre Köpfe, wachsam und mit tückischen Augen.
    Der verletzte Fisch löste sich aus den Armen seiner Herrin und verschwand trudelnd in der Dunkelheit. Kyra gefiel es nicht, ihn aus den Augen zu verlieren. Sie fürchtete, er könne sich an ihnen rächen wollen und von hinten über sie herfallen.
    »Eigentlich hatten wir ein anderes Opfer im Sinn, um den Magister gnädig zu stimmen«, sagte eine der Hexen.
    »Aber ein Kind wird ihm lieber sein als ein erwachsenes Weib«, fügte die zweite Hexe hinzu.
    »Und drei Kinder werden ihm noch mehr gefallen«, meinte die dritte und kicherte böse.
    Ein erwachsenes Weib. Damit konnte nur Tante Kassandra gemeint sein. Aber wo steckte sie? Kyra hatte eigentlich vermutet, dass die Hexen sie hierher gebracht hatten. Doch hier unten war niemand außer ihnen.
    »Ihr braucht eure Opfer wohl lebend?«, fragte Kyra und hatte dabei etwas ganz Bestimmtes im Sinn.
    »Allerdings«, entgegnete eine der Hexen.
    »Aber keine Sorge«, sagte eine andere hämisch, »ihr sterbt noch früh

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