Siebenpfahl (German Edition)
umgesetzt werden. Wir sollten also nicht zu euphorisch
sein.«
Conrad erhob sich. Er wollte den Kaplan aufsuchen, um ihn zu
fragen, wann sie alle vorbeikommen konnten. Er kleidete sich an und verließ die
Unterkunft.
Als Conrad an der Tür des Kaplans anklopfte, dauerte es einen
Moment, bis dieser öffnete. Er hatte in der vergangenen Nacht nur wenig Schlaf gefunden
und sah müde aus. »Guten Morgen, Conrad, ich habe dich schon erwartet«, sprach er
und hielt sich dabei die Hand vor den gähnenden Mund. »Bitte komm doch herein.«
»Ich wollte eigentlich nur fragen, wann ich mit den Jungen zu Euch
kommen kann?«
»Ach ja … geh und sage Bäcker Eberhard Bescheid, danach kommt bitte
alle zu mir.«
*
C onrad war überrascht, dass Eberhard seinen Laden noch nicht geöffnet
hatte, denn für gewöhnlich war er um diese Zeit längst geschäftstüchtig.
Er klopfte an die Ladentür. »Eberhard«, rief er, doch es schien
niemand da zu sein. Er trat ein paar Schritte zurück und schaute hoch zu den oberen
Fenstern, doch nichts tat sich.
Plötzlich bemerkte er, dass das Hoftor einen Spalt offen stand. Sonst
war es immer geschlossen. Eberhard war in dieser Beziehung seit Jahren überaus vorsichtig.
Schon ein paar Mal hatten sich Diebe der Materialien für die Herstellung des
Brotes bedient. Dass die Tür nun offen stand, bereitete Conrad Unbehagen. Er
öffnete das Tor und trat langsam in den Hof, wo er sich vorsichtig umschaute.
Auch in der Backstube war Eberhard nicht zu sehen.
Er horchte eine Weile, dann schlich er weiter. Plötzlich legte sich
eine Hand von hinten auf seine Schulter. Erschrocken fuhr er herum und blickte
in Eberhards schmunzelndes Gesicht. »Normalerweise haue ich Einbrechern den
Knüppel auf den Kopf, so wie sie es verdienen«, meinte der und brach in schallendes
Gelächter aus. »Selten habe ich jemanden so erschrocken dreinblicken sehen wie
dich, Conrad! Ich war nur schnell beim Nachbarn, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren.«
Als Conrad sich gefasst hatte, kehrte die Farbe in sein Gesicht
zurück. »Komm bitte mit zum Kaplan«, bat er Eberhard und schubste ihn
freundschaftlich an die Schulter.
Interessiert hatte der Kaplan Conrad zugehört, als der ihm von Caspars
Einfall erzählte. »Das ist wahrlich auch die einzige Möglichkeit, die wir haben«,
stellte er fest und sah Conrad an. »Wird der Bauer denn bereit sein, das Risiko
auf sich zu nehmen?«
»Wir müssen ihn fragen«, antwortete Conrad.
Der Kaplan wandte sich den Jungen zu- »Wir müssen nun bestimmen,
wer von euch hineingeschmuggelt werden soll.« Sein Blick wurde ernst. »Die
Sache ist gefährlich, aber von größter Bedeutung für den weiteren Fortgang. Es
muss klappen und wir sollten gut abwägen, wen wir letztendlich dafür auswählen.«
Alle schwiegen.
»Die Denker sollten in der Schaltzentrale bleiben und sich keiner
Gefahr aussetzen«, schlug André plötzlich vor.
»Häh?« Marcel sah zu André herum. »Und was soll das jetzt heißen?«
»Dass ich mich hier zur Verfügung stelle und die Fäden in der Hand
halte«, gab André selbstsicher zurück.
Alle lachten und Leon bedachte André mit einem leichten Klaps auf
den Hinterkopf. »Das einzige, was du mit Fäden machen solltest, ist stricken«, spottet
er und erntete dafür weiteres Gelächter.
»Dann kann ich dir ja einen Popowärmer stricken!«, konterte André,
als ihn der Kaplan auch schon unterbrach. »Genug der gegenseitigen Komplimente!
Wir sollten die wenige Zeit, die wir noch haben, sinnvoller nutzen«, schlug er
vor
»Genau!«, pflichtete André bei und blickte seine Freunde einen
kurzen Moment abwartend an. »Wer von euch geht nun?«
»Ich fasse es nicht«, sprudelte es aus Pascal heraus. »Der windet
sich immer um die gefährlichen Sachen und hat dabei auch noch den Erfolg für
sich gepachtet.«
»Es sollten zwei Jungen sein …« begann Conrad, »… die sich in
Wendigkeit und Größe ergänzen.«
»Wer schwebt dir vor?«, wollte der Kaplan wissen.
»Ich denke dabei an Marcel und Leon«, erwiderte Conrad. »Marcel
hat die richtige Größe, wenn es darum geht, auch an Dinge heranzukommen, die
etwas höher liegen … und Leon wäre derjenige, der aufgrund seiner eher kleinen
Körpergröße und seiner Wendigkeit unbemerkt in heikle Bereiche eindringen
könnte. Weiterhin denke ich, dass Marcel bestimmte Situationen gut einschätzen
kann und sich nicht so leicht zu überhasteten Handlungen hinreißen lässt.«
Der Kaplan schaute alle der Reihe
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