Sieg der Herzen
Schüssel mit warmem Wasser zum Spülbecken, wo sie sich wie besessen die Hände einseifte und abschrubbte. »Ich will nur in Frieden leben. Ich will Eier für meine Pensionsgäste ...«
Er wollte etwas völlig anderes - diese widerspenstige, zornbebende Frau in die Arme nehmen und küssen. Nicht nur einmal, und auch nicht nur keusch, sondern sehr oft, und dabei seine Zunge beschäftigen.
»Ich glaube, ich kann ohne Eier zurechtkommen«, bemerkte er in beruhigendem Tonfall.
Sie sah ihn mit wildem Blick über ihre schlanke Schulter an. »Das, Mr McLaughlin, ist nicht der springende Punkt.«
Er nahm wieder seine Kaffeetasse und sah, dass seine Hand leicht zitterte. Zum Glück war Miss Olivia zu sehr im Bann des Hühnerstall-Dramas, um es zur Kenntnis zu nehmen. »Ich verstehe«, sagte er sanft, obwohl er überhaupt nichts verstand und sich so wenig sanftmütig fühlte wie ein junger Widder in der Brunftzeit. Es reichte, um einen Mann umzuhauen, das war gewiss.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Miss Olivia besorgt. Sie war blass geworden.
Ihre Besorgnis erledigte ihn fast. Er hob eine Hand und drückte mit Daumen und Zeigefinger gegen seinen Nasenrücken. »Ja, ja«, log er. »Mir geht es prima.«
»Setzen Sie sich«, kommandierte sie und zog einen Stuhl vom Tisch heran.
Er war nicht krank, und er war auch nicht im Begriff, in Ohnmacht zu fallen wie - nun - wie irgendeine alte Jungfer. Trotzdem setzte er sich. Der Himmel wusste jedoch, dass ihm das nicht helfen würde.
»Sie sind krank.«
»Nein, das bin ich nicht.«
Sie ignorierte seine Antwort, holte einen sauberen Streifen Tuch, pumpte im Spülbecken kaltes Wasser darüber und wrang es aus. Dann ging sie zu ihm und drückte es ihm auf den Nacken. Es fühlte sich verdammt gut an, so sinnlos es auch war.
Er war seit einem Tag in Olivia Darlings Haus und hätte ihr am liebsten Dinge gesagt, die er niemals jemandem erzählt hatte. Über sein Albträume, zum Beispiel. Über diese eine Stunde, diesen einen Moment, der alles verändert hatte. Alles.
Wenn er auch nur einen Funken Verstand hatte, würde erweiterreiten. Heute. Sofort.
Sie streichelte über sein Haar, und ihm war sofort klar, dass diese Geste ungeplant, vielleicht sogar ungewollt war, aber ihre Berührung durchfuhr ihn trotzdem, als sei sie von brennendem Lampenöl verursacht.
Sie starrte ihn an, und er erkannte, dass er sich versteift haben musste - wie jemand, der einen Blitzableiter im Gewitter geschwenkt hat. Beide schwiegen lange Sekunden verwirrt.
Da sie eine Frau war, fand sie als Erste ihre Sprache wieder.
»Mit einem Haarschnitt und einer Rasur sehen Sie vielleicht ganz gut aus«, bemerkte sie. Am Beben ihrer Stimme und der Rötung ihrer Wangen erkannte er, dass sie von ihren eigenen Worten überrascht war.
Er erhob sich. Wenn er erst rasiert war, würde man ihn sofort erkennen, sogar aus der Ferne.
Miss Olivia legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn auf den Stuhl zurück. »Dann nur ein wenig stutzen«, sagte sie sehr weich. Es war diese Sanftheit, die ihn umstimmte.
Er blickte zu ihr auf und versuchte, die Spannung zwischen ihnen durch ein Grinsen zu lösen. Wahrscheinlich würde er wahnsinnig werden, wenn sie sich zu viel mit seinem Haar und dem Bart beschäftigen würde, selbst wenn sie das Haar nur ein wenig schneiden und den Bart nur etwas stutzen würde. »Ich nehme an, es kommt darauf an, wie viel Sie verändern wollen.«
Sie zögerte und lächelte dann. »Sie sind mein erster Gast in der Pension. Das sollte Sie zu einer Sonderbehandlung berechtigen.«
Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, und dann schauten sie beide hastig in eine andere Richtung.
Nach Miss Olivias Sonderbehandlung mit der Schere ähnelte er beunruhigend seinem früheren Konterfei, wie er viel später feststellte, als er in den Kommodenspiegel seines Zimmers starrte; aber solange er vorsichtig war, würde es wohl nicht allzu viel ausmachen. Angesichts der Tatsache, dass er die nächste Zeit überwiegend unter Tage verbringen würde, war es unwahrscheinlich, dass jemand ihn erkennen würde, bevor er selbst bereit war, seine Identität preiszugeben.
Er ging zum Fenster, hob die Gardine an und schaute über Miss Olivias Hof und den Hühnerstall hinweg zur Springwater Station. Aus jedem Fenster fiel Lampenschein, und der Anblick erfüllte ihn mit einem süßen und altbekannten Sehnen. Lange stand er dort am Fenster. Schließlich wandte er sich ab, nahm das Buch, das er im
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