Sieg der Leidenschaft
In den letzten Tagen habe ich den Präsidenten und seine Frau nicht mehr gesehen. Er ist sehr beschäftigt, leidet an Schlaflosigkeit - und harten Schicksalsschlägen. Hast du gehört, dass sich die Europäer weigern, seine Regierung anzuerkennen?«
»Ja.«
»Er verliert zu viele Soldaten und zu viele Generäle. Aber ich habe Varina um eine Audienz gebeten. Du begleitest mich und wir sorgen gemeinsam für Rhiannons Seelenfrieden.«
»O Brent, sie ist so verzweifelt. Immer wieder träumt sie von einem kleinen Jungen, der über ein Balkongeländer klettert und in die Tiefe stürzt. Sie hat das Haus beschrieben und Alaina glaubt ebenso wie Risa, dass Rhiannon in ihrem Traum das Weiße Haus der Konföderation sieht.«
»Darum werden wir uns kümmern. Zieh dich an, wir brechen sofort auf. Ich erwarte dich unten in der Halle. Sobald wir in Richmond ankommen, gehen wir ins Weiße Haus. Wenn ich Varina ausrichten lasse, es sei dringend, wird sie uns sicher empfangen. Vielleicht hat sie Rhiannons Brief inzwischen gelesen.«
»Danke, Brent.«
Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, zog sie sich hastig an. Dann eilte sie die Treppe hinab und stieg mit Brent in eine gemietete Kutsche. Während der Fahrt stellte Tia verblüfft fest, wie viel sich während des Kriegs verändert hatte. Überall waren Verteidigungsanlagen entstanden. »Falls Grant noch weiter vorrückt«, erklärte Brent.
»Wie nahe ist er schon herangekommen?«
»Sehr nahe.« Er erwiderte ihren Blick und drückte ihre Hand. »Aber Lee hält ihn weiter auf Distanz.«
»Tia nickte, schaute wieder aus dem Fenster und beobachtete deprimiert die zahlreichen Verwundeten in zerlumpten Uniformen. So viele Soldaten, ohne Arme, ohne Beine, auf wackeligen Krücken, mit hoffnungslosen Augen. Am Stadtrand zeigte sie auf eine Ruine. »Warum ist dieses Haus niedergebrannt?«
»Das war eine Munitionsfabrik. Die haben unsere eigenen Leute in Brand gesteckt, damit sie nicht in die Hände der Yankees fiel.«
Schließlich erreichten sie das Weiße Haus der Konföderation. Am Straßenrand parkten mehrere Kutschen Zivilisten und Soldaten eilten mit ernsten Gesichtern umher. Sogar in diesen schweren Zeiten wurden modisch gekleidete Damen nach wie vor von Dienerinnen und Sklavinnen begleitet.
Brent half Tia aus dem Wagen und führte sie zu dem einst so eleganten Gebäude, das jetzt vernachlässigt wirkte. Im Garten wucherte Unkraut. »Früher war das Haus so schön und gepflegt«, erklärte Brent. »Vor dem Eingang stand Varinas prächtige Kutsche mit den edlen Pferden. Die hat sie längst verkauft. Sie geht kaum noch aus. Angeblich wurde das Haus von Unionsspionen unterwandert. Davis glaubt sich von Feinden umgeben. Deshalb findet er keinen Schlaf mehr und er isst viel zu wenig. Vor einiger Zeit war ich bei der Familie zum Dinner eingeladen. Da rührte er sein Essen kaum an. Natürlich macht sich Varina große Sorgen um ihn.«
»Er trägt eine zu große Last auf seinen Schultern.«
»Allerdings. Tag für Tag treffen schlechte Nachrichten ein. Davis steht Höllenqualen aus.«
Mittlerweile hatten sie das Weiße Haus erreicht. Doch plötzlich wollte Tia nichts mehr wissen von all der Bitterkeit, dem Hass, der tiefen Verzweiflung. Am liebsten wäre sie davongelaufen. Vor dem Krieg hatte sie von den ägyptischen Pyramiden geträumt, von London, Madrid, Rom. Bevor sie die Toten und Sterbenden gesehen hatte, die verstümmelten und blutüberströmten Soldaten. Und jenes kleine Mädchen, das die Engel erst vor kurzem geholt hatten ...
»Vielleicht hat Varina mein Gesuch inzwischen erhalten«, meinte Brent. In der Eingangshalle nannte er einem Diener seinen Namen und erklärte, sie seien mit Mrs. Davis befreundet und er habe den Besuch schriftlich angekündigt. Obwohl er betonte, es handle sich um eine dringende Angelegenheit, wurden sie gebeten, vor dem Haus zu warten.
Minuten verstrichen, dann Stunden. In wachsender Nervosität dachte Brent an seine Patienten, die er in die Obhut des Pflegepersonals gegeben hatte. Um seiner Kusine und sich selbst die Zeit zu vertreiben, erzählte er von Sydney, die er kurz vor Weihnachten gesehen hatte. »Sie ist mit einem Yankee verheiratet.«
»Das weiß ich, aber ...«
»Sie wollte unbedingt in Washington bleiben, weil sie hoffte, ihr Mann würde Urlaub bekommen und das Weihnachtsfest daheim verbringen - insbesondere, weil er bei Gettysburg verwundet worden war.«
»Davon hat mir Julian erzählt.«
»Natürlich, er hat Jesse Halston
Weitere Kostenlose Bücher