Sieg der Leidenschaft
Politik der verbrannten Erde praktiziert. Das Unionsheer zerstörte Bahngleise und beschoss die Forts, die Charleston schützten. Deshalb musste man auch auf Schiffsreisen ein großes Risiko eingehen.
Daran dachte Tia nur selten, während sie nach Norden fuhr. Vor ihrem geistigen Auge erschien immer wieder das Bild des rotblonden kleinen Mädchens, das einen so tragischen Tod erlitten hatte, und seiner un-glücklichen Mutter. Ein Leben lang würden sie diese Erinnerungen verfolgen.
Die Einzelheiten ihrer Reisearrangements hatte sie Risa und Alaina überlassen. Viele Möglichkeiten gab es ohnehin nicht, denn man musste so vorgehen, wie es das Kriegsgeschehen gerade gestattete. Ohne die Gefahren zu scheuen, begleiteten die beiden Frauen Tia den Fluss hinab nach Süden zu dem Blockadebrecher, vergewisserten sich, dass der Captain ein Ehrenmann war, und nahmen ihm das Versprechen ab, gut für seine Passagierin zu sorgen.
Captain Larson, ein freundlicher, knorriger kleiner Mann, kämpfte voller Hingabe für die Sache der Südstaaten. Wenn Tia mit ihm in seiner Kabine die Mahlzeiten einnahm, erzählte er wehmütig von seinen zwei kleinen Töchtern und seiner Frau, die im Kindbett gestorben war. Er verachtete die Männer, die sich Rebellen nannten und die Unionsblockade nur aus Gewinnsucht brachen. Nach seiner Ansicht fügten sie dem Süden noch schlimmeren Schaden zu als die Yankees.
Da Charleston bombardiert wurde, konnte er Tia bestenfalls bis nach Wilmington bringen. Schließlich ging sie in North Carolina an Land, nahe der Grenze Virginias. Larsons Kontaktmann, im Flusshafen von Richmond stationiert, hatte ihm mitteilen lassen, Brent habe eine Eskorte abkommandiert, die seine Kusine zum Hospital bringen würde. Schweren Herzens musterte sie die zwei spindeldürren Männer in den fadenscheinigen Uniformen. Offenbar waren sie verwundet worden und vorerst außer Stande, an die Front zurückzukehren, aber hoffentlich fähig, eine Frau vor Deserteuren oder marodierenden Soldaten zu schützen. Beide begegneten ihr überaus höflich und besorgten ihr jeden Abend eine halbwegs komfortable Unterkunft. In der ersten Nacht schlief sie auf einer kleinen Plantage, die der Zerstörungswut des Unionsheers bisher entronnen war. Die Gastgeberin - mit einem Lieu-tenant verheiratet, der Ian vor dem Krieg gekannt hatte - nahm an, nun müsste Tia ihren Bruder hassen.
Vorsichtshalber verschwieg Tia, dass sie die Ehefrau eines Yankees war. Sonst hätte die fanatische Rebellin sie womöglich hinausgeworfen. Glücklicherweise schien die Frau zu glauben, Tias Vetter Jerome würde den Süden ganz allein retten.
Am nächsten Morgen brachen sie zeitig auf. Wann immer sie Hufschläge hörten, wichen sie den Reitern aus. Sergeant Brewster, der ältere von Tias Begleitern, erklärte ihr, man wisse nie, wann man einem Yankee-Spähtrupp in die Arme laufen würde. Nur in den Städten wagten sie sich auf die Hauptstraßen. Unterwegs konnten sie genug Lebensmittel kaufen. Die meisten Zivilisten glaubten immer noch felsenfest an einen Sieg des Südens - im Gegensatz zu den beiden müden Soldaten, die Tia nach Richmond eskortierten.
Die zweite Nacht verbrachte sie in einem kleinen Hotel, dreißig Meilen südlich von der Hauptstadt. Am nächsten Morgen erwachte sie, als lautstark gegen ihre Tür gehämmert wurde. Schlaftrunken stieg sie aus dem Bett. »Ja?«
»Ich bin's, Tia - Brent!«
»O Brent!« Ohne zu bedenken, dass sie nur ein Nachthemd trug, riss sie die Tür auf und fiel ihrem Vetter um den Hals. Dann rückte sie ein wenig von ihm ab und musterte ihn. Er wirkte sehr attraktiv - ein typischer McKenzie, groß und dunkelhaarig, mit den Gesichtszügen der Seminolen. In den Augen und dem rötlichen Haar zeigte sich auch das Erbe seiner Mutter. Wie die meisten Konföderationssoldaten war er stark abgemagert und trug eine fadenscheinige Uniform, doch im Gegensatz zu vielen anderen schien er die Hoffnung nicht verloren zu haben.
»Mein Gott, Tia, so lange haben wir uns nicht gesehen. Du bist so schön wie eh und je, kleine Kusine. Aber nun warten die Beaus im Süden vergeblich auf
dich, nachdem du meinen Verwandten geheiratet hast
- einen Yankee. Wie geht es Taylor?«
»Bei unserer letzten Begegnung ging es ihm sehr gut.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme bitter klang. »Vor kurzem hat er deinen Vater besucht.«
»Ärgerst du dich darüber?«
Sie schüttelte den Kopf. »Anscheinend führte ihn eine Order nach Süden - die er mir
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