Sieg der Leidenschaft
werden wir die Hand der Freundschaft ausstrecken, unsere Brüder wieder aufnehmen und gemeinsam all die Toten beweinen.«
»Darum will ich beten, Sir.«
»Wenn alles überstanden ist, werden viele Menschen nach Rache dürsten. Gilt das auch für Sie, Sir? In diesem Krieg sind zahllose Frauen Witwen geworden. Sie, Colonel Douglas, gehören zu den wenigen Männern, die ihre Ehefrauen verloren haben. Hat die Zeit jene Wunde geheilt?«
»Die meisten Wunden hinterlassen Narben, Sir. Jedenfalls sehne auch ich das Ende des Konflikts herbei.« Nach einer kurzen Pause fügte Taylor hinzu: »Ich habe wieder geheiratet, eine Frau, die mit dem Süden
sympathisiert. Ihren Bruder kennen Sie. Colonel Ian
McKenzie.«
»Davon hörte ich bereits, Colonel. Sie sind mit der jungen Tia McKenzie verheiratet, einer charmanten, temperamentvollen Südstaatenschönheit. Dazu gratuliere ich Ihnen sehr herzlich. In diesem furchtbaren Krieg ein bisschen Glück und Frieden zu finden, ist eine seltene Gnade.«
»Allerdings«, stimmte Taylor tonlos zu. Glück und Frieden ? »Nun überraschen Sie mich schon wieder, Sir. Sie sind nicht nur über die Aktivitäten aller ihrer Offiziere informiert, sondern auch über Veränderungen in deren Familienstand.«
»Nun, Häuser wie Cimarron sind weit und breit bekannt - ebenso Jarrett McKenzies Dienste, nicht im Namen des Nordens oder Südens, sondern der Menschlichkeit.«
»Zweifellos wissen Sie, dass die Mitglieder der Familie McKenzie unterschiedliche Interessen verfolgen.«
»Die meisten Verwandten meiner Frau haben für den Süden gekämpft«, erklärte Lincoln und lächelte wehmütig. »Jetzt liegen so viele unter der Erde. Überall wird dieser Krieg schmerzhafte Wunden hinterlassen -oder Narben, wie Sie es nennen, Colonel Douglas. Streiten Sie nicht mit Ihrer leidenschaftlichen Rebellin. Nach all den Kämpfen haben Sie wahrlich ein bisschen Frieden verdient.« Er beugte sich über seinen Schreibtisch. »Bald werden neue Kämpfe beginnen und wir brauchen Ihre Sachkenntnis, Colonel. Morgen werden Sie General Grant an der Front aufsuchen. Ich erteile Ihnen eine Urlaubsgenehmigung für drei Wochen«, fuhr er fort und griff zu einer Feder. »Die werde ich nicht datieren und Sie können Urlaub machen, wann Sie es für richtig halten und wann es sich mit Ihren Pflichten vereinbaren lässt. Trotz der gegenteiligen Meinung unserer >besten militärischen Köpfe< soll ein neuerlicher Versuch unternommen werden, Florida zurückzugewinnen. Dieser Staat ist ein gigantischer Brotkorb. Selbst wenn es mich auch bedrückt, es gibt wohl keine andere Möglichkeit, als den Süden auszuhungern. Gott mit Ihnen, Sir.«
Taylor nahm die Papiere entgegen, die der Präsident ihm reichte - das eine Dokument beorderte ihn zu Grants Hauptquartier, das andere berechtigte ihn zu einem dreiwöchigen Urlaub. »Danke, Sir, aber vor dem Kriegsende werde ich wohl kaum das Bedürfnis empfinden, die Front zu verlassen.«
»Nur Gott weiß, wann ein Mensch Zeit für sich selbst braucht.«
Taylor nickte und fragte sich, ob Lincoln von ähnlichen Vorahnungen geplagt wurde wie Julians Frau Rhiannon. Angeblich hatte der Präsident von seinem eigenen Tod geträumt. Unbehaglich überlegte Taylor, was Lincoln andeuten mochte. Wofür werde ich Zeit brauchen? Für eine Tragödie? »Nochmals vielen Dank, Sir.«
»Gehen Sie jetzt nach Hause, Colonel. Ruhen Sie sich heute Abend aus.«
»Ja, Sir.«
Aber Taylor ging nicht nach Hause. Stattdessen besuchte er eine Taverne, in der viele Kavalleristen verkehrten. Seit dem Kriegsbeginn mied er sein Haus in Washington. Abbys Kleider hingen immer noch im Schrank. Und an einer Wand des Schlafzimmers stand die Mahagoniwiege - für das Baby, das sie erwartet hatte.
In der Taverne traf er einige verwundete Freunde, Politiker, Offiziere, die in den Forts rings um Washington stationiert waren, und Männer die soeben eine neue Order erhalten hatten. Mit dem Angriff auf Richmond und der Teilung des tiefen Südens hoffte Grant, der Region das Rückgrat zu brechen. Louisiana war bereits zurückerobert worden. Dort hatte sich eine neue unionistische Regierung gebildet. Nun musste
South Carolina in die Knie gezwungen werden, das Zentrum der Rebellion.
Während Taylor seinen zweiten Whiskey trank, räusperte sich jemand an seiner Seite. »Colonel Douglas ...«
Zunächst erkannte Taylor den alten Soldaten mit dem runden Gesicht und dem grauen Schnurrbart nicht, sah aber die Rangabzeichen. »Sergeant?«
»Es
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