Sieg der Leidenschaft
müsse er kostbare Opiate an sie verschwenden. Mary verstand sie besser, saß an ihrer Seite und
weinte mit ihr. Schließlich schüttete Brent etwas Laudanum in Tias Tee und sie schlummerte erschöpft ein.
Mitten in der Nacht erwachte sie, setzte sich auf und starrte ins Kaminfeuer. Nun fand sie keinen Schlaf mehr. Weil sie nicht schnell genug in Richmond angekommen war, hatte sie Rhiannons Hoffnungen enttäuscht. Zwei Mal kurz nacheinander war es ihr nicht gelungen, den Tod eines Kindes zu verhindern. Neue Tränen begannen zu fließen.
Als Brent das Schluchzen hörte, kam er zu ihr. »Tia! Das sieht dir gar nicht ähnlich. Wo bleibt deine innere Kraft?«
»Die ist gestorben. Wie die Kinder. Wie die jungen Männer, die täglich auf den Schlachtfeldern fallen.«
»Lass dich nicht entmutigen. Jetzt bist du verheiratet und wirst bald selber ein Kind bekommen ...«
»Nein! Ich will keine Kinder - die würden doch nur sterben ... Deshalb will ich keine haben.«
»Sicher denkt dein Mann anders darüber. Als Abby starb, war sie schwanger. Taylor wünscht sich Kinder.«
»Dann muss er sich eine andere Frau suchen!«, fauchte Tia. »Es sei denn, er wird vorher getötet ...« Tränen erstickten ihre Stimme und Brent fand es sinnlos, noch länger auf sie einzureden. Stattdessen brachte er ihr noch ein Glas Sherry mit Laudanum.
Diesmal wird sie erst am nächsten Abend erwachen, sagte er sich und hielt sie in den Armen, bis sie einschlief.
Taylor saß in einem Schaukelstuhl vor dem Kaminfeuer und wartete auf die Rückkehr seiner Kusine.
Nach einer Stunde wuchs seine Sorge. Der Duft des frisch gebackenen Brots war ein Täuschungsmanöver. Ebenso wie die Kissen unter der Bettdecke.
Oder hatte sie geplant, heimzukommen? War ihr etwas zugestoßen? Er öffnete das Schlafzimmerfenster, schaute hinaus und betrachtete im Mondschein das
Gras im hinteren Garten. Offenbar war Sydney auf diesem Weg verschwunden. Um das zu erkennen, musste man kein erfahrener Scout sein.
Er verließ das Haus durch die Vordertür und nickte dem Soldaten wortlos zu. Dann stieg er auf seinen Wallach, ritt zur Rückseite des Hauses und folgte Sydneys Spur bis zu einem Mietstall. Dort erinnerte sich ein Angestellter gut an die schöne junge Frau, die sehr oft einen Wagen mietete. Den würde sie brauchen, um ihren Bruder jenseits der Front oder kranke Verwandte südlich von Alexandria zu besuchen.
»So eine nette Dame ...«Im Lampenlicht musterte er Taylor etwas genauer und entdeckte die indianischen Züge. »Sind Sie vielleicht ihr Bruder, Colonel?«
»Ihr Vetter. Und ich mache mir große Sorgen um sie. Südlich der Linien könnte sie in Gefahr geraten.«
»Nun, als sie eines Nachts zurückkam, fand ich was im Wagen und seither vergesse ich dauernd, ihr's zu geben. Vielleicht hilft's Ihnen weiter.« Der Mann hinkte ins Büro. Wenige Minuten später kam er zurück. »Eine Kugel im Fußknöchel, bei Antietam«, erklärte er. »Das da habe ich im Wagen gefunden - ein Tuch mit einer eingestickten Adresse. Sehen Sie's? Die Bailiwick Farm in Virginia. Kennen Sie die?«
»Ja«, antwortete Taylor. Diese Farm lag nordöstlich von Fredericksburg, in hart umkämpftem Gebiet.
Nachdem er dem hilfsbereiten Mann gedankt hatte, verließ er den Mietstall und ritt aus der Stadt, in Richtung Alexandria.
Auf dem Weg nach Süden stieß er immer wieder auf Truppen, die mobil machten. Mehrmals wurde er von Unionswachen aufgehalten. An der Grenze zeigte er seine Papiere vor und im Morgengrauen erreichte er das Niemandsland von Virginia. Hier kämpften Nord-und Südstaatler um die Vorherrschaft.
Taylor mied die Hauptstraßen und ritt durch die Wälder. Einmal entkam er nur mit knapper Not einem kleinen Trupp von der Südstaatenkavallerie. Scouts und Kampfsoldaten, dachte er, als er die Männer beobachtete, hinter einem dicken Eichenstamm verborgen. Von ihren Gesprächen verstand er nur kurze Wortfetzen, entnahm ihnen aber, dass Lees Hauptkontingent nicht weit entfernt war.
Zu Mittag zügelte er Friar im vernachlässigten Obstgarten der Farm und beobachtete das Haus. Ein Oberstock, keine Balkone, nur Spaliere, von welken Ranken umwunden. Die Zäune der Gehege waren teilweise zerbrochen, der Anstrich blätterte ab.
Vor der Veranda tummelten sich ein paar magere Hühner. Zur Linken des Hauses stand ein knochiges Maultier, das traurig den Kopf hängen ließ. An der rechten Seite sah er einen großen Stall mit einem geschlossenen Doppeltor.
»Bleib hier, mein Junge.«
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