Sieg der Leidenschaft
Vater«, murmelte er beiläufig.
»Und Jerome zum zweiten Mal. Das hat die Frau meines Bruders prophezeit...«
»Die zu viel sieht und doch nicht genug«, ergänzte Taylor.
»Immerhin sieht sie das Ende des Kriegs, doch sie meint, das würde nicht viel bedeuten. Bevor die Rebellen am Boden zerstört sind, werden sie ihr nicht glauben. Nicht einmal Julian hört auf seine Frau.«
»Vielleicht doch. Was kann er schon tun? Soll er den Dienst quittieren? So etwas würde sich ein gewissenhafter Militärarzt niemals erlauben.«
»Nun, manche Menschen ändern sich. So wie zum Beispiel Sydney.«
»Sie behauptet, sie sei die Gleiche geblieben.«
»Stimmt das?«
Seufzend zuckte Taylor die Achseln und trat seine Zigarre aus. »Nein. Sie ist einer bemerkenswerten Farbigen begegnet, die ihr geholfen hat, die Sklaverei mit anderen Augen zu betrachten - obwohl Sydney dieses Thema nach wie vor nicht als Hauptursache des Kriegs akzeptiert.«
»Lincoln hat gekämpft, um die Union zu erhalten, und nicht, um die Sklaven zu befreien«, erinnerte ihn Ian. »Mag er auch ein guter Mensch sein - er ist ein Politiker. Und er nutzt die Emancipation Proclamation 1 im politischen Sinn.«
»Jedenfalls verabscheut er die Sklaverei.«
»Gewiss, aber ...«
»Was?«
»Dein Vater war von jeher gegen die Sklaverei. Warum erkennt deine Schwester nicht, dass die Südstaaten ein grausames Unrecht verteidigen?«
»Natürlich begreift sie das. Aber mittlerweile hat sie zu lange und zu hart gekämpft, um ihren Irrtum einzugestehen.«
»Nun, dann muss ich mich auf weitere Schlachten gefasst machen. Es war ein langer Tag. Gute Nacht, Ian.«
»Gute Nacht, Taylor. Gehen wir nicht zu hart mit dem Süden ins Gericht. Diesen Krieg gewinnen wir so oder so.«
Im Haus herrschte tiefe Stille. Offenbar lag Jesse bereits in einem der Gästebetten. Tia hatte im Esszimmer aufgeräumt und die Küche sauber gemacht. Dann war sie ebenfalls nach oben gegangen.
Müde stieg Taylor die Treppe hinauf. Was würde der nächste Tag bringen?
Auf leisen Sohlen betrat er Tias Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Im nächtlichen Schatten sah er die Umrisse ihrer Gestalt auf dem Bett. Langsam ging er zu ihr. Sie hatte sich zur Seite gedreht, ein Mondstrahl fiel auf ihre Schulter. Anscheinend wollte sie sich schlafend stellen. Der Puls in ihrem Hals verriet das Täuschungsmanöver.
Fast lautlos zog er sich aus, kroch unter die Decke und umarmte seine Frau.
Da wandte sie sich zum ihm. »Taylor, ich ...«
»Was du willst, ist mir völlig egal.«
Sie protestierte nicht. Wenige Minuten später erfüllte sie alle seine Wünsche, ließ sich verführen und verführte ihn. Mit gleicher Glut erwiderte sie seine leidenschaftlichen Liebkosungen. Danach lag sie neben ihm, zufrieden und erschöpft. Er hielt sie im Arm, dankbar für die Nacht an ihrer Seite - für das Glück, ihren Atem zu hören, ihre Herzschläge zu spüren ...
Irgendwann erwachte er, wie immer, wenn das leiseste Geräusch in seinen Schlaf drang. Angespannt lauschte er. Nichts. Die Nacht war still, die Brise kaum zu vernehmen.
Und dann erkannte er, was ihn geweckt hatte. Tia lag nach wie vor in seinem Arm. Aber sie weinte. So leise wie nur möglich.
23
Als Tia am nächsten Morgen aufstand, hatten Taylor und Jesse das Haus bereits verlassen.
Plötzlich erwachte die Geisterstadt zu neuem Leben, von Unionssoldaten, einigen ihrer Ehefrauen und Dienstboten bevölkert. Auf dem Feld gegenüber von
Marys Haus wurden Zelte errichtet, in die lautstarken Befehle der Truppenkommandanten mischten sich Trompetenklänge, Hufschläge und das Klirren von Pferdegeschirr.
Vorerst blieb Ian im Haus und nahm Depeschen entgegen. Auch er würde bald aufbrechen. Wie er Tia beim Frühstück mitteilte, hielt ein gewisser Private Shelby auf der Veranda Wache. Inzwischen war das Haus Taylor, Jesse und ihm selbst offiziell zugewiesen worden. Eine Frau namens Molly führte den Haushalt, von dem Diener Horace unterstützt.
Auf der anderen Straßenseite bezog General Magee sein Hauptquartier. Dafür wählte er ein großes Haus im Kolonialstil. Offensichtlich richtete sich die Union auf eine lange Belagerung von Petersburg ein, vor den Toren der Hauptstadt.
»Wo ist Taylor?«, fragte Tia ihren Bruder.
»Unterwegs«, lautete die knappe Antwort. Da sie eine Rebellin war, würde er ihr nicht mehr verraten. Nur der Himmel wusste, was sie im Schilde führen mochte.
Weder am nächsten noch am übernächsten Tag kehrte Taylor
Weitere Kostenlose Bücher