Sieg der Leidenschaft
wäre unbesiegbar. Aber wie Tia täglich feststellte, vertraten die Soldaten einen anderen Standpunkt.
Mitte November wurde Julian nach Norden berufen, wo er einige Mitglieder von Dickinsons Miliz behandeln sollte. Fast zehn Männer litten an Windpocken. Als Tia verkündete, sie würde ihren Bruder begleiten, protestierte Rhiannon energisch. »Die Ansteckungsgefahr ist zu groß. Vielleicht bin ich schwanger. Und du könntest es auch sein.«
Schweigend fügte sich Tia in ihr Schicksal.
Einige Tage nach Julians Abreise wurden zwei Männer ins Lazarett gebracht, die in ein Yankee-Feuer an der Küste geraten waren. Sie kamen mitten in der Nacht an und Tia beschloss, Rhiannon nicht zu wecken. Einen der Männer erkannte sie. Vor einer scheinbaren Ewigkeit hatte er sie zusammen mit anderen Dixie-Soldaten nach Cimarron eskortiert, zur Weihnachtszeit. Er hieß David Huntington, ein schlanker charmanter junger Mann, der soeben seinen ersten Schnurrbart kultivierte. Aufmunternd lächelte sie ihn an und erklärte Liam, der in Julians Abwesenheit für ihn einsprang: »Eine Kugel in der Wade, ein Schrapnell im Schenkel. Zum Glück sind keine Knochen und Arterien verletzt.«
»Können Sie die Geschosse herausschneiden? Oder soll ich Ihren Bruder holen? Er ist nur einen Tagesritt entfernt.«
»Nein, das schaffe ich schon. David, bevor ich mich an die Arbeit mache, müssen Sie eine ganze Menge Whiskey trinken. Einen großen Schluck fürs Fleisch, einen kleinen für die Seele.«
Die Kugel ließ sich leicht entfernen. Doch das Schrapnell bereitete ihr etwas größere Mühe und sie fragte sich, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Julian zu verständigen.
Schließlich zog sie den letzten Splitter aus Davids Oberschenkel, nähte die Wunde und wünschte ihrem beschwipsten Patienten eine gute Nacht. Als sie am nächsten Morgen den Verband wechselte, spürte sie seinen angstvollen Blick. »Miss Tia ...«
»Ja?«
»Bei allen Heiligen, ich bin kein Verräter.«
»Natürlich nicht.«
»Aber ...«
»Was wollen Sie mir sagen?«
»So viele Soldaten hat Ihr Bruder Julian mit Ihrer Hilfe gerettet, Miss Tia. Und Ihr Vater hat nichts gegen die Konföderation unternommen - und den Offizieren beider Heere sein Haus für Verhandlungen zur Verfügung gestellt.«
Lächelnd nickte Tia. »Das weiß ich.«
»Doch jetzt plant Colonel Weir einen Angriff auf Cimarron. Er behauptet, Ihr Vater sei ein Verräter und müsse hingerichtet werden - zur Strafe für alles, was er Florida angetan hat.«
»Was?«, flüsterte Tia ungläubig.
»Er glaubt, er könnte beweisen, dass Jarrett McKenzie ein Verräter ist. Zu dieser Aktion hat er keine Erlaubnis von höherer Stelle - er handelt auf eigene Faust.«
Wer würde Cimarron angreifen? Warum? Die Antwort fiel Tia nicht schwer. Natürlich, Raymond hasste ihren Vater - Jarrett McKenzies unerschütterlichen Glauben an die Union, seinen Mut, sich in all den Jahren offen und ehrlich gegen die Rebellen zu stellen. »Sind Sie sicher, David?«
»O ja, Ma'am. Er versammelt seine Truppen im alten Ellington Manor. Das hat die Familie schon vor einiger Zeit verlassen.«
»Ja, das habe ich gehört. Sie waren unsere Nachbarn und Freunde.«
»In vier Tagen soll der Angriff stattfinden. Nach Einbruch der Dunkelheit.«
»Während Colonel Weir mit seinem Trupp von Süden her nach Cimarron reitet, kommen ihm andere Soldaten aus nördlicher Richtung entgegen. Mittels einer Zangenbewegung wollen sie die Plantage erobern. Und dann ...«
»Was?«
»Dann will er Ihren Vater auf der Stelle hängen, um ein Exempel zu statuieren - und zu demonstrieren, was den Verrätern Floridas droht.«
»Und - meine Mutter?«, stammelte Tia entsetzt. Es dauerte eine Weile, bis David antwortete. Beschämt senkte er den Blick. »Colonel Weir wird sie - den Soldaten überlassen. Was danach mit ihr geschehen soll, weiß ich nicht.«
Irgendwie musste sie Weir aufhalten. Ich reite zu ihm und versuche, Zeit zu gewinnen, beschloss sie. Und was dann? Zunächst würde sie Liam zu Julian schicken und jemanden anderen nach St. Augustine. Aber wenn Ian nicht dort war? Nun, er hatte genug Freunde, die Cimarron schnell genug erreichen konnten und gegen Weir kämpfen würden.
»Nur vier Tage?«, wisperte sie. Gerade genug Zeit, um den Staat zu durchqueren.
»Dreieinhalb.«
»Wie viele Männer stehen Weir zur Verfügung?«
»Fünf Kompanien, wenn ich's richtig gehört habe. Aber vielleicht sind von jeder Kompanie nur zehn oder zwanzig Mann übrig
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