Sieg der Liebe
Sparhawk, die sich unbedingt dankbar zeigen will? Was ist mit Ihrem Stolz geschehen, Miss Jerusa?“
„Ach, vergiß meinen Stolz, Michel, und laß mich dir danken! “ Ehe sie der Mut verließ, beugte sie sich vor und küßte ihn rasch. Ihre Lippen berührten ihn kaum. Sie hockte sich wieder hin. Die eigene Kühnheit hatte ihr den Atem geraubt, und unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.
Er sah sie mit sanftem Spott an. „Ist das wirklich wahr?“ wollte er wissen.
„Was meinst du?“ fragte sie, verwirrt über die Art und Weise, wie er ihren Mund betrachtete. „Zweifelst du an meiner Dankbarkeit?“
„Natürlich nicht, ma cherie. Dein Kuß. Der war so zart, daß ich nicht sicher bin, ob ich mir das alles nur eingebildet habe.“
„Nein, du hast es dir nicht eingebildet. Aber es ist auch keine meiner Angewohnheiten, jeden Mann zu küssen, den ich sehe“, verteidigte sie sich.
Michel lächelte, und seine Zähne leuchteten in dem rußverschmierten Gesicht. Sie mußte sich gar nicht so heftig verteidigen. Er hatte von Anfang an gewußt, daß der eitle Geck, mit dem sie verlobt gewesen war, ihr überhaupt nichts beigebracht hatte.
„Ich habe den Kuß schon fast vergessen, so sanft war er“, erklärte Michel betont gleichgültig.
Mit einem empörten Aufschrei warf sie sich gegen ihn, packte ihn bei den Schultern, um sich zu stützen, und preßte ihre Lippen auf seinen Mund. So, dachte sie siegesgewiß, das würde er gewiß nicht vergessen!
Aber plötzlich küßte Michel sie auf eine Art, wie sie es nicht beabsichtigt hatte, erfahren und verführerisch. Jetzt preßte er seine Lippen fester auf ihre. Sie erschauerte, als seine Zunge ihren Mund erkundete und nie geahnte Empfindungen in ihr hervorrief. Scheu ließ sie sich leiten, gab nach und erwiderte, was er tat, bis sie spürte, daß auch er nach ihr verlangte wie sie nach ihm.
Sie preßte die Finger gegen die harten Muskeln seiner Schultern unter dem Hemd, und als sie fühlte, wie er seine Hände um ihre Taille legte und über die sanften Rundungen ihrer Hüften strich, ließ sie sich näher an ihn ziehen und genoß dieses neue, unbekannte Gefühl.
Wie wundervoll war es, zu leben. Michel hatte sie gerettet, damit sie dies hier erlebte. Er zog sie mit sich ins Gras, und sie küßte ihn so gierig, als wäre sie ausgehungert ...
Lieber Himmel, was tat sie nur? Unvermittelt löste sie sich von ihm, stützte sich auf die Arme und sah auf ihn hinunter. Ihr Herz hämmerte, und ihr Körper schmerzte an Stellen, die nichts mit ihrem Sturz zu tun hatten, und zu ihrer Schande mußte sie feststellen, daß sie mit gespreizten Beinen auf ihm saß.
„O Michel“, sagte sie atemlos. Etwas anderes fiel ihr nicht ein, und sie errötete.
Er lachte leise, und sie fühlte, wie sie erschauerte, ehe sie sich beeilte, aufzustehen. „So, Jerusa, diesen Kuß werde ich nicht vergessen.“
9. KAPITEL
Jerusa wich Michels Blick aus, als sie sich zum Aufbruch bereit machten. Sogar, als er zum erstenmal ein kleines Feuer entfachte, so daß er ihr Tee anbieten konnte, dankte sie ihm nur mit einem kurzen Nicken.
Aber er wußte, was in ihr vorging, so sicher, als hätte sie es ihm gesagt. Besser vielleicht, als sie es selbst wußte. In ihrer Selbstgerechtigkeit glaubte sie, daß er sie mit einer List dazu gebracht hatte, ihn zu küssen.
So dreist war er nicht gewesen, aber er mußte zugeben, daß er die Möglichkeiten nutzte, die eine schöne Frau ihm bot. Warum auch nicht? Sie hatte den Anfang gemacht, und er hatte sie nicht zurückgewiesen. Was konnte ein einziger Kuß auch schon schaden?
Wenigstens versuchte er, sich das einzureden, doch es gelang ihm nicht. Jerusa war nicht die Tochter irgendeines Gastwirtes, oder eine femme du soir, die sich vergnügte, wann immer es ihr gefiel. Nein, Jerusa Sparhawk war die Tochter seines Feindes, und sie war seine Gefangene. Warum also wälzte er sich mit ihr im Gras herum wie ein verliebter Farmer am Markttag?
Aber es war schlimmer als das. Viel schlimmer. Eine Frau wie sie hatte Michel noch nie geküßt. Sie war leidenschaftlicher, süßer, faszinierender, betörender als alle anderen Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Das unschuldige Verlangen, mit dem sie ihm heute begegnet war, hätte ihn beinahe um seine Selbstbeherrschung gebracht.
Doch wenn ihre Leidenschaft in ihm ein unwiderstehliches Begehren weckte, könnte sie vielleicht sogar einen Weg zu seiner Seele finden. Doch das würde er nicht
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