Sieg der Liebe
doch nicht auf einen unbewaffneten Mann, oder?“
Michel zuckte die Achseln. „Ich bin Franzose. Sie sind Engländer. Sind Sie sicher, was ich tun würde? Und Sie haben ein Messer, nicht wahr? Wenn meine Waffe nicht geladen ist, mon ami, dann können Sie Ihre Klinge gegen mich einsetzen. Nicht einmal ein englisches Gericht würde Sie schuldig sprechen. “
Das Gesicht des Maats war so offen, daß Michel die Gedanken dieses Narren lesen konnte, als wären sie ihm auf die Stirn geschrieben. Michel hatte dieses Spiel schon so oft gespielt, daß es für ihn weder gefährlich noch aufregend war. Spanier konnten ihn zuweilen noch überraschen, aber ein Engländer wie dieser würde sich zurückziehen. Er sorgte sich zu sehr um ihre eigene Haut.
Mordieu, aber er, Michel, war müde, und in seinem Kopf pochte es. Er mußte seine ganze Konzentration aufbringen, um die Waffe ruhig zu halten. Sicherlich zögerte Hay wegen Jerusa. Nicht einmal ein Anglais wollte wie ein Feigling dastehen, wenn eine Frau zusah.
Aber zu Michels Überraschung schaute sie nicht zu. Statt dessen drängte sie sich gegen das Schott, als glaubte sie, irgendwie durch die Risse an einen anderen, glücklicheren Ort entkommen zu können. Ihr Gesicht war bleich, die Augen geschlossen, und Michel fragte sich besorgt, ob auch sie krank war.
Dann erinnerte er sich an die Gasse in Seabrook und daran, was er ihr in seinem Zorn angetan hatte. Arme Jerusa, kein Wunder, daß sie entsetzt war! Er bekam Gewissensbisse, als er sie zittern sah. Gern hätte er ihr gesagt, daß es diesmal nicht so enden würde.
Aber jetzt begannen auch seine Hände zu zittern, und sein schweißnasses Hemd klebte an seiner Brust. So oder so, es war ihm egal, wie Hay sich entschied, solange er es bald tat.
Und zu Michels Erleichterung entschied der Engländer sich. „Also schön, Geary, wie Sie wollen“, sagte Hay plötzlich. Sein Gesicht war so rot, als würde er vor einem Herzanfall stehen. „Ich muß ein Schiff befehligen. Deshalb kann ich mich hier nicht aufhalten, bis Sie wieder zur Vernunft gekommen sind.“ „Eine weise Entscheidung“, entgegnete Michel. Er deutete mit dem Lauf der Pistole auf Jerusa „Und nun entschuldigen Sie sich bei der Lady, s’il vous plait."
Hay seufzte, während er sich umdrehte und sich knapp vor Jerusa verbeugte. „Verzeihen Sie mir, Madam, wenn ich Sie gekränkt haben sollte“, sagte er. Er blickte über die Schulter hinweg auf Michel. „Sind Sie nun zufrieden, Geary? Oder muß ich mich hinknien und den Saum ihres Kleides küssen?“
Michel lehnte sich in die Kissen zurück, hob den Lauf der Pistole und berührte damit seine Lippen. „Das nächste Mal, Hay, werde ich nicht so verständnisvoll sein. Bonjour, monsieur.“ Michel waren die Augen schon zugefallen, als Hay die Tür schloß. Jetzt fühlte Michel, wie die Waffe seinen Händen entglitt und auf die Brust sank, und obwohl er daran dachte, daß er sie festhalten sollte, schien seine Hand ihm nicht zu gehorchen. Es war, als könnte er nur noch in das dunkle Loch gleiten und unaufhaltsam fallen ...
„Michel?“ fragte Jerusa angstvoll. „Michel, Liebster, geht es dir gut? Bitte schau mich an, Michel. Bitte! Ich bin’s, Jerusa, und ich möchte wissen, ob alles in Ordnung ist.“
Seine Haut glühte fiebrig. Da stimmt etwas nicht, dachte sie besorgt. Wie konnte er nur wenige Minuten vorher so sicher und furchterregend wirken, wenn er jetzt das Bewußtsein verlor?
„Bitte, Michel, kannst du mich hören?“ Sie strich ihm mit den Fingerspitzen über die Brauen und schob das Haar zurück. Seine Stirn war erschreckend heiß. Sie dachte an den Wasserkrug, den sie nach Hay geworfen hatte. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als noch einmal in die Kombüse zurückzugehen.
Seufzend betrachtete sie die Pistole auf der Bettdecke, wohin sie aus Michels Fingern geglitten war. Sie war noch immer geladen, und seufzend klemmte sie sich die Waffe unter den Arm. Es widerstrebte ihr, sie mitzunehmen, aber sie traute dem Wort des Maats nicht, vor allem nicht, solange Michel krank war. Nach einem letzten Blick auf ihn eilte sie zurück zur Kombüse.
Israel war mit dem Kartoffelschälen fertig und hatte sich jetzt einem Holzbrett mit Zwiebeln zugewandt. Tränen liefen ihm über das Gesicht, und er sah kaum auf, als Jerusa zurückkehrte.
„Dem Koch geht es noch nicht besser, Madam“, sagte er, während er der Zwiebel die dicke gelbe Haut abzog. „Und dem Kapitän auch nicht.“
„Es tut mir
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