Sieg einer großen Liebe
färbte das leinene Tischtuch.
„O'Malley ...!“ tadelte Northrup, der in der Nähe des Beistelltischs stand und das Servieren überwachte.
Der Lakai warf ihm einen unschuldigen Blick zu und machte viel Aufhebens darum, Lady Victoria beim Aufstehen zu helfen und sie an Jasons Tischende zu führen. „Hier, nun, Mylady“, meinte er deutlich zerknirscht und zog den Stuhl gleich rechts von Jason zurück. „Ich werde ihnen sofort ein frisches Glas bringen. Ich kann mir gar nicht erklären, wie das passieren konnte“, fügte er hinzu.
Victoria strich ihren Rock glatt und lächelte ihn an. „Es ist schon in Ordnung, Mr. O'Malley.“
Dann wandte sich O'Malley an Lord Fielding, doch als er Jasons bohrendem, gnadenlosem Blick begegnete, blieben ihm die nächsten Worte fast im Hals stecken: „Ich... . werde Ihrer Ladyschaft ein frisches Glas Wein bringen“, wiederholte er hastig und wollte zur Anrichte gehen.
„Lady Fielding trinkt zum Abendessen keinen Wein“, stellte Jason fest und bremst O'Malley in seinem Schwung. Dann sah er sie fragend an. „Oder hast du deine Gewohnheiten geändert, Victoria?“
Verwirrt durch die wortlose Verständigung, die zwischen Jason und dem armen O'Malley stattzufinden schien, schüttelte Victoria den Kopf. „Aber ich denke, heute mache ich eine Ausnahme“, sagte sie, um die Situation zu überbrücken.
Die Diener zogen sich zurück und ließen ihre Herrschaft in dieser beklemmenden Pracht des dreißig Meter langen Saals allein. Bedrückendes Schweigen hing über der gesamten Mahlzeit, das durch ein gelegentliches Klirren von goldenem Besteck gegen kostbares Porzellan noch unterstrichen wurde. Diese Stille wurde für Victoria noch schrecklicher, da ihr plötzlich bewusst wurde, wie angenehm Jason diese Zeit verbringen könnte, wenn er nach London gefahren wäre.. .
Bis die Teller abgeräumt und das Dessert hereingebracht wurde, hatte sich Victorias Elend in Verzweiflung verwandelt. Zweimal hatte sie versucht, das Schweigen zu brechen, indem sie Bemerkungen über so unverfängliche Themen wie das Wetter und die Güte eines mehrgängigen Menüs machte. Jasons Antworten auf diese Gesprächseinleitungen waren zwar höflich, aber entmutigend kurz.
Sie vergaß ihre Trostlosigkeit für einen Moment, als O'Malley das Dessert hereinbrachte und mit einem schlecht verborgenen Lächeln ein wunderschönes Törtchen vor sie hinstellte. Es war mit zwei ineinanderverschlungenen bunten Flaggen geschmück...er britischen und der amerikanischen.
Jason warf einen Blick auf die Torte und betrachtete dann zynisch den vorwitzigen Lakai. „Soll ich annehmen, daß Mrs. Craddock heute in patriotischer Laune ist?“ O'Malleys Gesicht verdüsterte sich, als sein Herr ihn kalt und ungehalten betrachtete. „Oder soll mich das daran erinnern, daß ich verheiratet bin?“
Der Bediente erblasste. „Nie, Mylord.“
Er wartete unruhig, bis Jason ihn schließlich mit einem knappen Nicken entließ.
„Wenn das hier unsere Ehe darstellen sollte“, sagte Victoria mit unbeabsichtigtem Humor, „dann hätte Mrs. Craddock den Kuchen mit zwei gekreuzten Schwertern dekorieren sollen, statt mit zwei Flaggen.“
„Du hast recht“, stimmte Jason zu, ignorierte das Törtchen und griff nach dem Weinglas.
Der schreckliche Zustand ihrer Ehe schien ihn so wenig zu interessieren, daß Victoria die Fassung verlor und sich auf das Thema stürzte, das sie schon den ganzen Abend ansprechen wollte. „Ich will aber nicht recht haben" sie richtete den Blick auf seine undurchdringliche Miene. „Jason, bitte... . ich möchte, daß es anders zwischen uns ist.“
Er wirkte leicht überrascht, als er sich in seinen Stuhl zurücklehnte und sie gelassen ansah. „Was für ein Abkommen stellst du dir vor?“ Sein Benehmen wirkte so zurückhaltend und gelangweilt, daß sich Victorias Nervosität verdoppelte. „Nun, einmal möchte ich, daß wir Freunde sind. Früher haben wir miteinander gelacht und uns unterhalten.“
„Sprich nur“, forderte er sie auf.
„Gibt es etwas Bestimmtes, worüber du reden möchtest?“ fragte sie ernsthaft.
Jason ließ seinen Blick über ihre betörende Gestalt gleiten. Er dachte, ich möchte darüber reden, weshalb du dich betrinken musst, bevor du ertragen kannst, mit mir ins Bett zu gehen. Ich möchte davon sprechen, weshalb meine Berührung dir Übelkeit bereitet. „Nichs Besonderes“, sagte er.
„Gut, dann fange ich an.“ Sie zögerte. „Wie gefällt dir mein Kleid?“ fragte sie.
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