Sieg einer großen Liebe
sie im Schutz dieser Verlobung besser unter den jungen Männern Ausschau halten.“
Da Jason widersprechen wollte, fuhr Charles schnell fort: „Die Londoner Kavaliere werden sie viel mehr bewundern und begehren wenn sie glauben, sie hat dir einen Antrag entlocken können“, fügte er schlau hinzu. „Denk nur, jeder Junggeselle in London wird sie für etwas Besonderes halten. Wenn Victoria aber eine verlassene Braut ist, werden sie sich zurückhalten.“
„Deine ,Freundin' Lady Kirby wird bereits verbreitet haben, daß die Verlobung gelöst ist“, bemerkte Jason.
Charles wischte das Argument mit einer Handbewegung beiseite. „Niemand wird die Kirby beachten, wenn du selbst die Verbindung nicht ableugnest.“
„Gut“, stimmte Jason zu. Er hätte zu allem ja gesagt, wenn Victoria nur schnell verheiratet wäre. „Nimm sie mit nach London und führe sie ein. Ich stelle ihr eine akzeptable Mitgift. Gib ein paar Bälle und lade sämtliche Gecken von Europa ein. Ihrem Debüt werde ich selbst beiwohnen“, fügte er spöttisch hinzu. „Und ich werde mir die möglichen Freier ansehen. Es sollte nicht schwer werden, jemand Geeigneten zu finden.“
Er war so erleichtert, das Problem mit Victoria gelöst zu haben, daß er überhaupt nicht über Charles’ widersprüchliche Argumente nachdachte.
Victoria kam in dem Augenblick in die Bibliothek, als Jason sie verließ, und sie lächelten sich kurz an. Dann ging Victoria auf Charles zu. „Hast du Lust auf unser abendliches Damespiel, Onkel Charles?“
„Wie bitte?“ fragte er abwesend. „Ja, natürlich, meine Liebe. Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf.“
Victoria setzte sich an den Spieltisch und legte ihre schwarzen Steine auf. Da Charles so sehr in Gedanken schien, stellte sie auch die weißen Steine auf. „Fühlst du dich nicht wohl, Onkel Charles?“ fragte sie.
„Doch, doch, mir geht es gut“, versicherte er. Aber nach den ersten drei Spielminuten hatte Victoria schon drei seiner Steine geschlagen.
„Anscheinend kann ich mich wirklich nicht konzentrieren“, gab er zu, als sie den vierten schlug.
„Dann lass uns statt dessen reden“, meinte Victoria.
Er stimmte erleichtert zu, und Victoria suchte nach einer taktvollen Art, wie sie von seinen Sorgen erfahren könnte. Ihr Vater war Verfechter der Theorie gewesen, daß die Menschen über ihren Kummer sprechen sollten, vor allem wenn sie ein schwaches Herz hatten. Da Jason vor ihr bei Charles gewesen war, vermutete sie, er müsse der Grund für Charles’ Kummer sein. „Hast du dich beim Abendessen gut unterhalten?“ begann sie betont beiläufig.
„O ja, sehr sogar“, stellte er überzeugend fest.
„Glaubst du, Jason hat sich auch amüsiert?“
„Du meine Güte, ja. Weshalb fragst du?“
„Nun, mir fiel auf, daß er keine Geschichten aus seiner Jugend beisteuerte.“
Charles sah ihr nicht in die Augen. „Vielleicht fielen ihm keine lustigen Erlebnisse ein.“
Victoria beachtete die Antwort kaum, sie wollte nur wissen, was Charles verstimmt haben könnte. „Ich dachte, vielleicht missfiel Jason etwas, das ich gesagt haben könnte, und er hat sich bei dir darüber beschwert.“
Als Charles sie anblickte, stand ein Lächeln in seinen braunen Augen. „Du sorgst dich um mich, meine Liebe, nicht wahr? Und du wüsstest gern, ob mich etwas quält?“
Victoria musste lachen. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“
Er legte seine schmale Hand auf ihre und drückte sie. „Nein, Victoria, du bist wundervoll. Dir liegt an den Menschen. Trotz des Kummers, den du in den letzten Monaten durchgemacht hast, fällt dir auf, wenn ein alter Mann müde aussieht, und es ist dir nicht gleichgültig.“
„Du bist überhaupt nicht alt“, protestierte sie und sah ihn in seinem eleganten Abendanzug bewundernd an.
„Hin und wieder fühle ich mich älter als ich bin“, meinte er. „Und heute ist einer dieser Tage. Aber du hast mich schon wieder aufgemuntert. Darf ich dir etwas erzählen?“
„Natürlich.“
„Es hat in meinem Leben Zeiten gegeben, da wünschte ich mir eine Tochter, und du bist genau so, wie ich sie mir vorgestellt habe.“ Er drückte ihre Hand. „Manchmal beobachte ich dich, wenn du im Garten spazierengehst oder mit den Dienern sprichst, und ich bin stolz auf dich. Das muss seltsam erscheinen, denn ich habe nichts dazu beigetragen, dich zu dem zu machen, was du bist. Dennoch empfinde ich so ....und ich möchte allen Zynikern dieser Welt Zurufen: ,Seht sie an! Es gibt sie
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