Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
hoffen«, erklärte Gordon mit einem Seufzen. »Aber immer eine Möglichkeit.« Heute trug er Jeans und ein T-Shirt von den Dresden Dolls.
Er sah mich an. »Wer war dein Vater, Mercedes Thompson?«
»Hauptman«, erklärte Adam kühl. »Mercedes Athena Thompson Hauptman.«
»Old Joe Coyote«, sagte ich, lehnte mich gegen Adam und lockerte meinen Griff an seinem Arm ein bisschen. Beides waren Zeichen, dass es mir gut ging und dass er ein bisschen weniger beschützend auftreten konnte, auch wenn ich es zu schätzen wusste.
»Ayah«, sagte Gordon. »Getötet bei einem Autounfall und endgültig vernichtet von Vampiren. Ich habe ihm gesagt, dass er dieses Ding zu schnell fährt, aber er hat selten auf gute Ratschläge gehört. Weißt du, wer dein Vater war?«
»Hau mir einfach einen Knüppel über den Kopf und wirf mich zu den restlichen toten Forellen in einen Korb«, gab ich zurück. »Komm zum Punkt.«
Er lächelte mich an.
»Manche Leute angeln gerne«, verkündete Adam trocken. »Ob es nun sinnvoll ist oder nicht.«
Gordon lachte. Er hatte ein gutes Lachen. »Ich zum Beispiel. Allerdings. Trotzdem, manchmal gewinnt man durch den Kampf eine Menge, was einem sonst vorenthalten würde.« Die Erheiterung verließ sein Gesicht. »Manchmal wird der Fisch verletzt. Ich werde euch eine Geschichte erzählen, während ihr euch bereitmacht, die Leute zu bewirten, die kommen werden. Es werden nur noch drei mehr als wir, die wir schon hier sind.« Er lächelte über mein Stirnrunzeln. »Ich bin ein alter Mann. Und alte Männer dürfen sich mysteriös benehmen. Ich habe ungefähr vor zehn Minuten mit Jim gesprochen. Er und die Owens-Brüder kommen. Calvin wurde die Wache im Krankenhaus übertragen, wo Benny Anzeichen dafür zeigt, dass es ihm nicht so gutgeht, wie man bisher dachte. Er versucht immer wieder aus dem Bett aufzustehen und sie mussten ihn fixieren.«
Ich dachte daran wie Janice Morrison, die ich niemals treffen würde, freiwillig mit ihren sich wehrenden Kindern in den Fluss gegangen war.
»Was weißt du über diejenigen, die so sind wie du geworden bist, Mercy?«, fragte Gordon.
»So gut wie nichts.«
Adam warf uns einen scharfen Blick zu, dann ging er zum Grill neben dem Wohnwagen und verteilte Zeitungspapier und Kohle darin. Er gewährte uns die Illusion von Privatsphäre, weil Gordon offensichtlich mit mir sprechen wollte – aber Adam würde lauschen.
Dieser beschützerische Zug an ihm machte mich ganz kribbelig. Aber die letzten Monate hatten mir gezeigt, dass
es in beide Richtungen funktionierte. Jeder, der versuchte, meinen Wolf zu verletzen, musste sich mit mir auseinandersetzen. Ich war vielleicht nur ein Kojote von ungefähr siebzehn Kilo, aber ich konnte ziemlich dreckig kämpfen.
Gordon grunzte zustimmend. »In einer Zeit vor dieser kam Kojote zu einem Dorf, dessen Häuptling eine wunderschöne Tochter hatte. Kojote verkleidete sich als gut aussehender junger Jäger. Er tötete ein Wapiti, warf es sich über die Schulter und brachte es dem Häuptling als Geschenk. ›Häuptling‹, sagte er, ›lass mich um deine Tochter werben, um sie zur Frau zu nehmen.‹«
»Ist das die nette Version?«, fragte ich trocken.
Gordon enthüllte seinen fehlenden Vorderzahn, aber seine Erzählung geriet nicht ins Stocken. »Der Häuptling wusste nicht, dass es Kojote war, der seine Tochter ins Auge gefasst hatte. ›Jäger‹, sagte der Häuptling, ›du kannst um sie werben, aber meine Tochter wählt ihren eigenen Ehemann‹.
Also fing Kojote an, die Tochter des Häuptlings zu umwerben. Er brachte ihr frisches Fleisch, gegerbte Felle und wunderschöne Blumen. Sie dankte ihm für jedes seiner Geschenke. Schließlich ging Kojote zu ihrem Vater und fragte: ›Welches Geschenk kann ich ihr machen, das sie genug beeindruckt, um mich als Ehemann zu akzeptieren?‹
›Frag meine Tochter‹, sagte der Häuptling.
Also ging Kojote der Jäger zu der Tochter und fragte sie, welches Geschenk sie sich vor allen anderen wünschte.
›Ich hätte gerne einen ruhigen Teich, in dem ich alleine baden kann‹, antwortete sie ihm.
Also ging Kojote zu einer ruhigen Stelle im Wald und grub ihr am Fuß eines Wasserfalls einen Teich. Er teilte
den Bach, so dass ein Teil davon sich in den Teich ergoss. Als die Tochter des Häuptlings den Teich sah, stimmte sie zu, Kojote zu heiraten – immer noch in seiner Verkleidung als Jäger. Sie hieß ihn in ihrem Teich willkommen und sie lachten und spielten, bis die Wälder von ihrem
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