Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
Glück widerhallten.« Der alte Mann hielt inne. »Ich glaube, das reicht von dieser Geschichte. Sie endet tragisch, wie es gewöhnlich der Fall ist, wenn zwei so unterschiedliche Leute sich lieben.« In seiner Stimme lag beim letzten Satz eine gewisse Schärfe, die deutlich machte, dass er nicht nur über Kojote und die Tochter des Häuptlings sprach.
Ich starrte ihn böse an. »Viele Leute, die mehr Einfluss auf uns beide haben als du, haben schon ihre Kommentare abgegeben. Wir haben auch auf sie nicht gehört.«
»Stört dich der Werwolf oder der Weiße?«, fragte Adam, der gerade mit einer Packung vorgepresstem Hamburgerfleisch aus dem Wohnwagen trat. Bis auf seine Frage schien er uns nicht zu beachten und ging einfach weiter zum Grill.
»Wölfe verschlingen Kojoten«, sagte Gordon, aber an seiner Körpersprache konnte ich ablesen, dass unsere Ehe ihn eigentlich nicht störte; es machte ihm einfach nur Spaß, ein wenig Unruhe zu stiften.
Wäre er kein alter Mann gewesen, hätte ich einige unhöfliche Dinge dazu zu sagen gehabt.
»Ja«, erklärte Adam ausdrucklos. »Das tue ich.«
Jau. Das war die andere Reaktion, die einem in den Kopf kam. Und er wurde nicht mal rot, als er es sagte. Vielleicht würde Gordon die Zweideutigkeit entgehen. Aber er grinste Adam fröhlich an.
»Weißt du«, sagte ich beiläufig, »dass die Blackfeet
Alter-Mann-Geschichten erzählen und nicht Kojote-Geschichten? Der Lakota-Trickster ist Iktomi – die Spinne –, obwohl er eher schon das Böse repräsentiert statt nur einfach Chaos.«
Der alte Mann lächelte verschlagen. »Das kommt daher, dass Kojote viele Verkleidungen hat. Und …« – er wedelte mit einer Hand in meine Richtung – »Chaos ist nie einfach, außer man ist Kojote.«
»Was also hatte die Geschichte mit mir zu tun?«, fragte ich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
»Die Tochter des Häuptlings, die für eine Weile Kojotes Ehefrau war, hatte eine Tochter – und sie konnte als Mensch oder Kojote laufen, genauso wie ihre Söhne.«
»Also stamme ich von Kojote ab – und dieser Rotschwanzbussard, den wir am Horsethief Lake gesehen haben« – aus irgendeinem Grund zweifelte ich nicht daran, dass Gordon davon wusste – »stammt von Bussard ab.«
»Ayah«, sagte er. »Ein Walker« – er betonte den einzigen Begriff, den ich für das hatte, was ich war; ›Avatar‹ klang wie etwas, das in einem Internet-Multiplayer-Spiel herumlaufen oder mit blauer Farbe bemalt computeranimiert durch einen Film toben sollte – »stammt immer von diesen Verbindungen zwischen Sterblichen und Unsterblichen ab. Aber es ist lange her, dass sie sich so frei unter uns bewegt haben, und seit vielen Jahren ist der einzige Weg, so geboren zu werden, das Kind von Eltern zu sein, die beide von einer solchen Paarung abstammen.«
»Weswegen Calvin sich so sicher war, dass ich kein Walker sein konnte«, sagte ich. »Meine Mutter ist, soweit ich es weiß, abstammungsmäßig europäisch – überwiegend deutsch und irisch.«
»Ayah«, stimmte Gordon zu. »Ich bezweifle es nicht. Weshalb ich nochmal frage: Weißt du, wer dein Vater war?«
Ich hörte, was er mich hören lassen wollte. Ich wusste nicht, warum er sich entschieden hatte, sein Spielchen mit mir zu treiben, aber ich war damit durch. Mein Vater hatte nichts mit dem zu tun, was den armen Benny und seine Schwester angegriffen hatte. Gordon Seeker, wer auch immer er war, bedeutete mir gar nichts.
»Er war ein Rodeo-Cowboy«, sagte ich. Wäre ich in meiner Kojotenform gewesen, hätte ich die Ohren eng angelegt. »Er ritt Bullen und war nicht schlecht darin. Meine Mutter ritt das Pferd ihrer Freundin und versuchte, genug Geld zum Überleben zu gewinnen. Er hat ihr für eine Weile einen Ort zum Schlafen gegeben. Er wurde bei einem Autounfall getötet, bevor meine Mutter auch nur wusste, dass sie mit mir schwanger war.«
Adam beobachtete alles vom Grill aus. Seine Augen ruhten mit ausdrucklos-gelber Leidenschaftslosigkeit auf dem alten Mann. Ich atmete tief durch und bemühte mich, nicht wütend zu werden – oder mich von diesem Fremden mit einer Geschichte verletzen zu lassen, die viel älter war als ich selbst. Gefühle schienen die Gefährtenbindung leichter zu durchdringen als Worte oder Gedanken. Jetzt, wo Adam meine Gefühle ebenfalls spürte, lernte ich langsam, sie ein wenig zu kontrollieren.
»Ja«, sagte Gordon sanft. »Ich bin mir sicher, dass du Recht hast. Joe Old Coyote starb vor dreiunddreißig
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