Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
muss ich feststellen, dass da ein Gerücht umgeht. Das sieht so aus, dass dieser Kladisch bestimmten Bürgern dieses Mädchen gezeigt hat. In dem Haus, das er gemietet hat. So, wie auf dem Foto, und in anderen eindeutigen Posen. Vor allem nackt.«
»Wer sagt das?«
»Das Blöde an Gerüchten ist, dass sie sich auflösen, wenn du an die Quelle willst. Aber ich kenne den, der mir das als Erster erzählte. Ich müsste mal vorsichtig weiterforschen.«
»Dann tu das, darum bitte ich dich. Was sagt das Gerücht? Wie ist dieses Mädchen gezeigt worden?«
»Es war eine junge Frau, die sagte, das Mädchen würde im Haus der beiden als sogenanntes lebendes Bild gezeigt. Das gab es mal im ausgehenden 19. Jahrhundert. Da las jemand eine eindrucksvolle Schilderung aus irgendeiner Königssaga, dann wurde ein Vorhang weggezogen, und man sah Menschen, die eine Szene darstellten. Für uns heute ist das sehr komisch, damals wurde das ernst genommen. Also Kladisch und Menge haben einen aufgeilenden Text gelesen, dann ging der Vorhang auf, und das Mädchen wurde gezeigt. Meistens nackt, manchmal liegend, manchmal stehend, manchmal sitzend. Aber immer eindeutig.«
»Hat diese Frau auch gesagt, dass die guten Bürger dafür zahlen mussten?«
»Nein, hat sie nicht ausdrücklich, aber sie hat angedeutet, dass es so war.«
»Aber du willst nicht behaupten, dass der Fall Jamie-Lee irgendwie mit dem Fall Stern und Vonnegut zu tun hat?«
»Das glaube ich nicht«, sagte er hastig. »Deshalb habe ich das nicht mitgebracht. Ich will nur sagen: Die Polizei weiß nichts, die ist nicht tief genug eingestiegen.«
»Wer vermutet denn auch so etwas?«, fragte Jennifer.
»Da hast du recht«, antwortete er in ihre Richtung. »Ich finde es aber erschreckend.«
»Kannst du die Namen der Leute aufschreiben, die an diesem Abend in der Kneipe waren? Und auch die Namen der Leute, die dieses Gerücht ansprachen? Und ich sage dir jetzt schon, dass ich die Polizei davon informiere und ihnen auch das Foto gebe.«
»Ja«, sagte er. »Sie sollen bloß nicht mit Horn und Blaulicht bei mir auf den Hof fahren.«
»Das werden sie nicht tun. Sie werden keinen direkten Kontakt aufnehmen. Ich kann sagen, sie sollen es über mich machen.«
»Ich brauche jetzt noch einen Schnaps, die Sache macht mich fertig.« Er lehnte sich zurück und schloss einen Moment die Augen. Dann öffnete er sie wieder und grinste. »Könnten wir auch mal über etwas Nettes sprechen?« Dann wendete er sich Jennifer zu und grinste: »Über dich zum Beispiel.«
»Lieber nicht«, sagte sie abwehrend und errötete wieder.
»Jennifer ist zu Besuch aus Sao Paulo, sie lernt ein paar Wochen europäisch«, stellte ich sie vor. »Sie ist bei Freunden zu Besuch.«
»Ich dachte, sie gehört zu dir«, sagte er einfach.
»Nicht ganz«, sagte Jennifer. »Magst du noch einen Schnaps?«
»Aber sicher doch.« Er lächelte gelöst.
»Ich möchte noch einmal auf einen Problemkreis zurückkommen, den wir nur kurz gestreift haben. Zu Jakob Stern und den Frauen, mit denen er befreundet war. Du musst doch ein paar von ihnen kennengelernt oder mindestens gesehen habe. Was waren das für Frauen?«
»Ich sage mal, er spielte in einer anderen Liga. Meistens hatte er Blonde. Es war das Blond, von dem man sagt, dass nur bestimmte Frauen es haben. Das etwas teurere Blond. Da habe ich die eine oder andere mitgekriegt. Also richtig junge Frauen hatte er nie, es waren immer die um die Dreißig und etwas älter. Einmal kam ich zu ihm, es war morgens, ich musste ihm etwas bringen. Da standen wir so in seinem Küchenbereich herum, und er flüsterte: Guck jetzt nicht nach oben! Natürlich guckte ich nach oben. Da räkelte sich eine nackte Blondine, und es war ihr vollkommen egal, ob ich sie sah oder nicht. Und sie sagte dauernd: Ach, komm doch! Und ich flüsterte: Gleich, mein Engel! Und Jakob musste lachen und ich musste lachen, und das machte es noch schlimmer. Schwarzhaarige gab es auch mal, aber seltener. Na ja, man merkte eben, dass er seinen Spaß haben wollte.«
»Gab es eine Verbindung, die länger dauerte als ein paar Nächte?«
»Ja, die hat es wohl gegeben, aber das ist schon länger her. Mehr als ein Jahr. Sie hieß Judith, sie hieß immer nur Judith. Einen Hausnamen hatte sie nicht. Die hat ihn sogar auf zwei Reisen begleitet, ist erzählt worden.«
»War die auch blond?«
»Weißblond war sie. Wo sie herkam, weiß ich nicht.«
»Wer kann da Genaues wissen?«
»Muss ich überlegen, aber da kann
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