Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
sprichwörtliche Elefant, und ratterte die Telefonnummer herunter. »Das ist in Schmidt«, sagte er.
»Wie machen Sie das?«
Er grinste. »Während eines Falls kommen Adressen und Telefonnummern an. Ich registriere sie und habe sie dann durchschnittlich ein Jahr lang parat. Kollegen meinen, ich hocke nachts am Küchentisch und lerne sie auswendig. Idioten!«
Ich ging zurück und fotografierte erst einmal das Foto mit dem Pärchen. Die Hälfte des Bildes war den Flammen zum Opfer gefallen, ich hätte gern gewusst, was die andere Hälfte zeigte. Irgendwo musste es einen elektronischen Speicher geben, der das ganze Bild zeigte, oder ein Negativ auf einem altmodischen Film. Hoffentlich konnten die Spezialisten etwas auf dem Rechner rekonstruieren, der schwarz verkohlt in der Nähe des ehemaligen Fensters lag. Ich nahm mir jedenfalls die Zeit, die verkohlten Papiere in der Nähe der Leiche auch noch anzusehen. Aber meine Ausbeute war gleich null.
Dann hatte Major geschrieben Flecken Fußboden nahe Wohnzimmertür, und da ich nicht erkennen konnte, welche Hecken er meinte, musste ich ihn erneut fragen. Es war ein mühsames Verfahren, und ich spürte, dass er sich auf bestimmte Fragwürdigkeiten konzentrieren wollte, die nicht erklärbar waren, oder aber nach einer Erklärung verlangten. Mitte der Halle Deckenbalken stand da, und es war nicht zu erkennen, was Deckenbalken waren und was nur heruntergefallene, verkokelte Dielen des Obergeschosses. Er hatte sechzehn Wünsche notiert, und es dauerte fast zwei Stunden, ehe ich die Liste abgearbeitet hatte. Bei einigen Objekten brauchte ich fünfzehn Minuten allein für die Einstellungen und Ausleuchtung, weil Trümmergewirr sehr kompliziert zu fotografieren ist, wenn es noch raucht, und kaum Tiefenschärfe entsteht. Die Feuerwehrleute waren so freundlich, mir eine ihrer 1000-Watt-Leuchten aufzustellen, um Lichtunterschiede herausarbeiten zu können.
Dann kam Rodenstock durch das Chaos geschlendert und rauchte eine dicke Brasil, was bei ihm tagsüber sehr selten war. »Es stinkt mir hier zu sehr«, erläuterte er. »Stört dich das nicht?«
»Doch, es stört mich. Aber ich kann keine Pfeife rauchen, wenn ich meine Hände zu was anderem gebrauche.«
»Ist dir etwas aufgefallen?«
»Nein, nicht die Spur. Doch, ein Foto von dem Gothic-Pärchen, das bei Jamie-Lee eine unbekannte Rolle spielte. Aber ich bin kein Spezialist in Jenseitsdingen. Jetzt nimm den Scheinwerfer mal da weg und stell ihn zehn Zentimeter nach links. Nein, Stopp, nach rechts. Und dann ungefähr einen halben Meter zurück. So ist es gut, jetzt konzentriere das Licht mal auf dieses Loch, das die zwei dicken Balken bilden. Ja, danke, gut so. Und was hast du herausgefunden?«
»Alltagskram. Er war mal verheiratet, ist aber seit fünfzehn Jahren geschieden. Die Frau wurde bei der Scheidung abgefunden. Andere Verwandte sind bisher nicht bewiesen, werden aber todsicher auftauchen, weil es auch um viel Geld geht. Er hat sein Geld übrigens mit Transportversicherungen verdient, er war ein ganz Großer in dem Geschäft. Er versicherte ganze LKW-Hotten, aber auch Schiffsladungen und Schiffe, Industrieanlagen und Hoch- und Tiefbauer. Mit Kleinkram hat er sich nicht abgegeben. Und unser Freund Jakob Stern war häufig hier. Es wird schwierig zu rekonstruieren sein, was er alles unter Vertrag hatte. Im Obergeschoss war ein Büro. Der ganze Papierkram ist verbrannt und unbrauchbar, wir können nur auf seine Banker hoffen. Und hoffentlich sitzen die nicht auf den kleinen Antillen.«
»Gibt es eine aktuelle Frau?«
»Das wissen wir nicht. Also, es gab in den vergangenen Jahren nicht den geringsten Wirbel wegen einer Frau. Hier lebte keine mit ihm, das ist sicher. Er scheint der reinste Tugendbold gewesen zu sein, kein sündhaftes Leben, keine Verfehlung, nicht mal eine feine, kleine Steuerhinterziehung, nichts auf der falschen Seite des Zauns. Richtig langweilig. Nur ein Interesse: Geld und Gewinn.«
»Hatte er denn wenigstens eine Putzfrau?«
»Ja. Mit der habe ich schon gesprochen, sie war unter den Schaulustigen. Sie kam dreimal die Woche, und nie war irgendetwas Besonderes. Er war ein netter, freundlicher Arbeitgeber und hat sie sogar ordentlich bei der Steuer angegeben und Sozialbeiträge abgeführt. Und sie kennt auch den Jakob Stern und hat ihn hier erlebt. Ach ja, er war dreiundfünfzig Jahre alt. Er stammt aus Köln, hat sich aber schon früh hier niedergelassen, das Haus steht seit etwa zwölf Jahren. Die
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