Signal: Roman (German Edition)
des südöstlichen Namerika.
»Du starrst mich an«, stellte sie fest. »Dabei hast du versprochen, es nicht zu tun.«
»Nur, solange du nackt warst und dich anziehst.«
»Du siehst mich immer noch so an, als ob ich nackt wäre.«
Er wollte schon etwas sagen, merkte dann aber, dass er sich nur weiter reinreiten würde, daher nickte er bloß und wandte sich ab.
Erneut in die saubere weiße Kleidung ihres Berufsstands gehüllt, fühlte sich Ingrid auf einmal sehr viel zuversichtlicher. Doch sie musste sich zusammenreißen, um Whispr nicht auszulachen. Dessen weißer Kittel, der für einen Natural gedacht war, hing wie ein Schleier an ihm herunter. Nur dank einiger Klammern, die er aus seinem Rucksack geholt hatte, verhinderte er, dass ihm die Hose ständig herunterrutschte. Er sah nicht glücklich aus. Andererseits war dieser Gesichtsausdruck eine ständige Reflexion seiner Persönlichkeit. Eine engere Kleidung hätte seine Miene auch nicht aufgehellt.
Gwi sah sie ebenfalls an, aber ohne den erwarteten Glanz in seinen Augen. Impulsiv griff sie sich ihren Führer und küsste ihn. Der junge San machte ein erschrockenes Gesicht. Whispr reagierte überhaupt nicht. Er hatte sich schon längst daran gewöhnt, dass er für die Sonne namens Seastrom nichts als der Pluto war.
»Sie haben so viel für uns getan, Gwi. Sie und Ihre Leute. Ich … Wir wissen gar nicht, wie wir Ihnen danken sollen.«
»Sie haben Tante !Nisa geholfen. Jetzt werden Sie versuchen, anderen jungen Menschen wie mir zu helfen. Wenn man Glück hat, kann man irgendwann in seinem Leben mal etwas tun, das von Bedeutung ist.« Er drehte sich um und machte sich daran zu gehen. »Jetzt muss ich mich auf meinem Posten melden. Meine Freunde werden sich freuen, dass ich es sicher wieder zurückgeschafft habe.«
»Warten Sie, Gwi.« Sie streckte eine Hand aus. »Sie haben etwas vergessen. Sie müssen uns noch zeigen, wo sich das Forschungszentrum befindet.« Sie deutete hilflos auf ihre Umgebung, den dunklen, feuchten Tunnel. »Wir befinden uns unter der Erde und wissen nicht mal, wie groß Nerens ist. Ich möchte niemanden ansprechen und erst dann Fragen stellen müssen, wenn wir keine andere Wahl mehr haben.«
Er sah von ihr zu Whispr und wieder zu ihr zurück. »Ich habe keine Ahnung, wo das Forschungszentrum ist, Fräulein Doktor. Ich kenne nur das Abwassersystem und einige andere Versorgungsbereiche wie die Wäscherei, die sich um die alltäglichen Dinge kümmern. Ich kenne keinen der Wissenschaftler, Ingenieure oder Technologen. Sie werden dieses Forschungszentrum schon ganz alleine finden müssen.« Seine Stimme klang bedauernd, aber entschlossen. »Selbst wenn das bedeutet, dass Sie Fragen stellen müssen.«
»Verdammt«, murmelte Whispr. »Ich wusste, dass wir früher oder später in einer Sackgasse landen.«
»Sag so etwas nicht«, erwiderte sie. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich einen Weg finde, mich als jemand auszugeben, der hier arbeitet. Ich glaube immer noch, dass mir das gelingen wird.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir habenohnehin keine andere Wahl. Wir müssen es einfach versuchen.«
»Ich kann Ihnen zumindest einen Vorschlag machen, wo Sie anfangen könnten.« Sie drehten sich beide wieder zu ihrem Führer um. »Wie Sie sich vorstellen können, gibt es in Nerens wie in jeder anderen modernen Anlage mitten in der Namib sehr effiziente Geräte zur Klimasteuerung. Hier kann es im Sommer sehr heiß und im Winter sehr kalt werden, insbesondere nachts.«
»Oder unter der Erde.« Der Arztkittel war alles, was verhinderte, dass Ingrid wieder zu zittern begann.
Gwi nickte. »Es gibt hier viele große Rohre wie diese hier rings um uns herum, die warme oder kalte Luft transportieren. Ich habe mich schon immer darüber gewundert, dass so viele davon in den Norden führen.«
Whispr war verwirrt. »Warum haben Sie sich darüber gewundert?«
Gwi warf ihm in der Dunkelheit einen gelassenen Blick zu. »Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sehr weit in diese Richtung gegangen ist. Außerdem ist die innere Sicherheit im Norden auch deutlich verstärkt. Aber wenn dort nichts ist und man auch nicht weit kommt, was wird dann da bewacht? Die Abwasserrohre führen auch in den Norden, doch jenseits einer bestimmten Stelle werden wir nicht mehr gebeten, sie zu überprüfen oder zu reparieren. Es wundert mich, dass ein einziger Teil von Nerens ein eigenes Abwassersystem haben soll. Viele Versorgungsleitungen führen in den Norden, aber wohin
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