Silberband 010 - Thora
unerklärliche Erregung und schaltete die Beleuchtung
ein.
Der winzige Raum war in zweckmäßiger Sachlichkeit eingerichtet. Everson, der erwartet hatte,
daß seine Unruhe unter dem Einfluß des Lichts nachlassen würde, sah sich getäuscht. Er zog sich
an und verließ seine Kabine. Die Kaulquappe mit der Bezeichnung K-262, von den
Besatzungsmitgliedern liebevoll FAUNA getauft, war vor einigen Stunden von Eppan gestartet, hatte
die erste Transition durchgeführt und befand sich nun im freien Fall.
Everson ließ spielerisch die Geländerumrandung durch seine Hand gleiten, die den Aufgang zum
Kommandostand umgab. Seine Nervosität verflüchtigte sich etwas. Ein Großteil der fünfzehnköpfigen
Besatzung weilte jetzt in ihren Kabinen. Vor der nächsten Transition würde sich dieses Bild
schlagartig ändern, denn alle mußten dann auf ihrem Posten sein.
Scoobey, ein Funker und Kadett Ramirez befanden sich auf der Bühne des Kommandostands. Die
FAUNA war eine Sonderanfertigung. In ihrer Zentrale befand sich der Kommandostand auf einer
mehrere Meter hohen Empore, zu der eine Treppe hinaufführte. Diese Empore, auch Bühne genannt,
war von einem Geländer begrenzt.
»Hallo!« rief Scoobey. »Warum ruhen Sie sich nicht aus?«
Diese Frage war natürlich berechtigt, denn der Erste Offizier konnte diese Routinearbeit sehr
gut ohne Hilfe erledigen.
»Ich möchte mit Mataal und Goldstein sprechen«, gab Everson zur Antwort. »Vielleicht geht es
dem Jungen jetzt etwas besser.«
Scoobey grinste und wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als auf dem Gang unter ihnen eine
Kabinentür aufgerissen wurde.
Gerald Finney, der schwarzhaarige, schlanke Techniker, sah verstört zu ihnen herauf. Everson
beugte sich über das Geländer.
»Was ist los mit Ihnen, Finney?«
Auf der Stirn des Mannes war eine kleine, gut verheilte Narbe. Wie ein weißes Dreieck
leuchtete sie zu Everson empor.
»Ich weiß nicht«, stotterte Finney. Es war offensichtlich, daß er nach einer Ausrede
suchte.
»Was laufen Sie während Ihrer Ruhezeit hier herum?« sagte Everson ungnädig. »Reden Sie!«
»Ich hatte Durst«, antwortete der Techniker hastig.
»Kommen Sie herauf!« befahl der Colonel.
Finney beeilte sich, der Anordnung nachzukommen. Everson blickte ihn scharf an. Da sah er
es – Finney hatte Angst.
»Was war nun wirklich?«
Die Augen des Mannes suchten einen Punkt, den sie, ohne Verdacht zu erregen, anstarren
konnten. Everson beobachtete, daß die Lippen Finneys bebten.
»Ich habe schlecht geträumt«, brach es aus Finney hervor. »Denken Sie nicht, daß ich den
Raumkoller hätte. Sie wissen, daß ich schon lange im All bin. Es war ein schlechter Traum.«
»Was haben Sie geträumt?« fragte Everson hartnäckig weiter. Seine Gedanken eilten einige
Minuten zurück, als er mit Herzklopfen im Bett gelegen hatte.
»Es ist zu kindisch«, meinte der Mann. »Ich dachte – ich dachte, es sei jemand –
ganz dicht bei mir.« Everson hörte den Funker kichern.
»Haben Sie öfter solche Visionen?« fragte Everson.
Finney schüttelte überzeugt den Kopf. »Es war das erste Mal.«
»Ich möchte, daß Sie sich von Dr. Morton untersuchen lassen«, sagte Everson abschließend.
»Erzählen Sie es mir auf jeden Fall, wenn sich diese Sache wiederholen sollte.«
»Ich bin doch nicht krank«, beteuerte Finney. »Ein Traum ist doch keine Krankheit. Was soll
ich bei Doc Morton?«
»Führen Sie meine Befehle aus«, ordnete Everson an. »Gehen Sie jetzt.«
Finney trottete unglücklich davon. Everson blickte nachdenklich hinter ihm her, bis Scoobey
neben ihm auftauchte.
»Halten Sie mich bitte nicht für ein diktatorisches Scheusal«, sagte Everson, der die
Mißbilligung in Scoobeys Gesicht erkannte.
»Ich frage Sie nicht nach Ihren Gründen«, antwortete der Offizier ernst.
»Wissen Sie, warum ich hier oben stehe, Walt? Ich hatte den gleichen Traum, der Finney
beunruhigt hat. Außerdem glaube ich, ein Geräusch gehört zu haben. Einen fremden Laut, der nicht
in die Tonskala unseres Schiffes paßte.«
Scoobey lächelte unbehaglich. Der Colonel war nicht der Mann, der Hirngespinsten nachjagte.
Seine Raumfahrererfahrung sowie seine menschlichen Qualitäten und sein unerschrockener Mut hatten
ihn in den langen Jahren seiner Dienstzeit zu einem Vorbild der Kadetten in Terrania gemacht.
Trotzdem war Scoobey davon überzeugt, daß Everson die bestehende Situation verkehrt
einschätzte. Ein Traum, auch von zwei Männern
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