Silberband 028 - Lemuria
auch selbst zu Ende. Und nun lassen Sie uns zurückgehen. Die
Sonne versinkt bereits hinter den Bergen.«
Das Tor zum Hohen Haus öffnete sich nur für eine Sekunde. Hinter den Terranern
schloß es sich sofort wieder.
Perry Rhodan kniff die Augen zusammen und suchte in dem grellbunten Licht nach seinem Gegner.
Er war auf eine ganze Menge Überraschungen gefaßt. Aber als er den anderen sah, konnte er einen
lauten Ausruf doch nicht unterdrücken.
»Shelton …!«
»Sir …?« sagte Oberst John C. Shelton betreten.
Der Leiter des ehemaligen Sonderkommandos Lemur stand auf einer kreisrunden Fläche mitten in
dem riesigen Saal, der der einzige Raum des Hohen Hauses war. Seine Kleidung bestand nur aus
einer kurzen Unterhose und Socken, was den Eindruck ins Groteske verzerrte.
Außer Shelton befand sich nur der Daraker in der Halle, der vor knapp einer Stunde mit Rhodan
gesprochen hatte. So jedenfalls schien es. Erst, als die Augen der Neuankömmlinge sich an das
irritierende Licht gewöhnt hatten, entdeckten sie die dritte Gestalt. Sie war kleiner als ein
Mensch und schien aus der schillernden Masse zu bestehen, aus der auch die lebenden Umhänge
bestanden. Lediglich ein breiter, biberkellenartiger Auswuchs von gleichem Material störte den
ersten Eindruck.
»Gucky!« rief Rhodan. Er wollte zu der kleinen Gestalt eilen, aber die Stimme des Darakers
hielt ihn zurück.
»Der Große Lenker ist tabu für euch. Es sei denn, die Offenbarung verkündete etwas anderes.
Wer von euch ist bereit, zur Prüfung anzutreten?«
Rhodan trat vor.
»Gut!« sagte der Mantelträger. »Dort ist dein Gegner. Er lästerte ebenfalls das Krish'un und
diente seitdem unter dem Tempel. Wenn er dich besiegt, ist er tabu.«
»Was müssen wir tun?« fragte Perry mit grimmigem Gesicht. Er fühlte sich in eine ausweglose
Situation getrieben.
Der Daraker stelzte heran und warf seinen Mantel zwischen die beiden ›Gegner‹.
»Das Krish'un hört nur auf Leute von Darak. Aber für die Prüfung habe ich meinem Krish'un
befohlen, einem von euch zu gehorchen. Wer das sein wird, darüber entscheidet allein die Stärke
eures Willens. Der Sieger muß dem Krish'un befehlen, seinen Gegner einzuhüllen und aufzulösen.
Danach ist er tabu.«
Mit unbewegtem Gesicht entkleidete Perry Rhodan sich bis auf die Shorts, die er unter seiner
Kombination zu tragen pflegte.
Praktisch verlangte der Daraker etwas ganz Unmögliches von ihm. Er sollte einen seiner eigenen
Offiziere indirekt töten. So würde das Ergebnis zweifellos aussehen, auch wenn Sheltons Wille
stärker sein sollte als sein eigener. Am Gesicht des Offiziers war dessen Entschluß abzulesen. Er
würde sich für seinen Vorgesetzten opfern.
Rhodan war entschlossen, das Opfer nicht anzunehmen. Es mußte eine andere Alternative geben,
eine, die ihnen allen Leben und Freiheit erhielt und die zugleich Freiheit für Gucky
bedeutete.
Er konzentrierte sich auf einen Befehl.
Eine Minute mochte vergangen sein. Wellenartige Bewegung durchlief den schillernden Umhang.
Langsam setzte er sich in Bewegung. Er kroch bis zu den Füßen seines Herrn. Dort hielt er an. Das
Schillern verstärkte sich, und die Wellenbewegungen gingen in ein konvulsivisches Zucken
über.
»Es ist sinnlos, Fremder!« sagte der Daraker. »Wenn du das Krish'un zwingen könntest, gegen
seinen eigenen Träger vorzugehen, wäre ganz Darak dir Untertan. Aber diese Prüfung habe ich gar
nicht erst angesetzt; niemand könnte sie bestehen.«
Perry verstärkte seine Bemühungen. Kurz darauf sah es so aus, als sollte er doch Erfolg haben.
Das Krish'un bewegte sich erneut. Aber dann wurde klar, daß es sich von seinem Herrn
fortbewegte.
»Sie schaffen es nicht, Sir«, sagte Oberst Shelton ernst. Er sprach Englisch, damit der
Daraker ihn nicht verstand. »Dirigieren Sie das Krish'un zu mir. Ein Soldat ist schließlich dazu
da, für seinen Oberbefehlshaber zu sterben.«
»Sie irren sich!« entgegnete Rhodan zornig. »Ein Soldat kämpft niemals für eine Person,
sondern nur für den Schutz seines Volkes. Und in diesem Sinne bin ich genauso Soldat wie Sie,
Oberst. Ihr Vorschlag ist abgelehnt.«
Er legte eine Pause ein, da sich Schwäche in seinen Gliedern ausbreitete. Draußen im Freien
war es zwar bei Beginn der Nacht abgekühlt, aber in der Halle speicherte sich die Wärme des
Tages. Es war drückend heiß. Der Schweiß rann ihm in Bächen den Körper herab, und rote Ringe
kreisten vor seinen
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