Silberband 033 - OLD MAN
Zwillinge belauschte.
Suzan nickte.
»Es sieht böse aus, Mike. Aber ich schlage vor, wir besprechen das in deiner Kabine.«
»Selbstverständlich.«
Er hakte sie unter, und schweigend gingen sie durch das Innenschott und betraten den Lift, der
sie zum Chefdeck führte.
Der geräumige Kabinentrakt Roi Dantons war so eingerichtet, wie sich sein Besitzer
die Wohnung eines Stutzers vom Hofe Ludwigs des Siebzehnten vorstellte. Aber hinter der
verspielten Atmosphäre verbargen sich technische Einrichtungen höchster Präzision.
Suzan Rhodan-Waringer störten die Gegensätze nicht. Sie war sie gewöhnt. Seufzend ließ sie
sich in ein besticktes Sitzmöbel fallen, schloß die Augen und entspannte sich.
Roi betätigte unterdessen eine getarnte Schaltung und wartete darauf, daß die Servoautomatik
des zerbrechlich wirkenden Tischchens zwei Apéritifs servierte.
Danach hob er sein Glas und stieß damit gegen das seiner Schwester.
Lächelnd prosteten sie einander zu.
»Berichte, Schwesterlein!« forderte er sie auf, während er sich zurücklehnte.
Suzan setzte ihr Glas hart auf den Tisch zurück. Sie beugte sich vor und flüsterte, wobei sie
jedes ihrer Worte besonders betonte:
»Das Bild, das Gucky auf dem erbeuteten Ultraschlachtschiff von OLD MAN gefunden hat, wurde
inzwischen ausgewertet!«
Roi Danton zeigte nicht, ob er überhaupt zugehört hatte. Nur wer ihn genau kannte, hätte die
plötzliche, winzige Anspannung seiner Muskeln wahrgenommen.
Suzan kannte ihn genau!
Ihre Stimme sank noch weiter herab, als sie fortfuhr:
»Es zeigt einen gewissen Captain Rog Fanther – einen der wagemutigen Männer, die am 14.
Juli 2404 mit dem Versorgungstender DINO-3 in den ehemaligen Zeittransmitter Vario
eindrangen …!«
Rhodans Sohn reagierte so, als ob in diesem Augenblick eine Fusionsbombe auf der oberen
Polkugel der FRANCIS DRAKE explodiert wäre.
Er schnellte von seinem Sitzmöbel hoch, schnappte nach Luft und ließ sich anschließend so
abrupt wieder fallen, daß die hölzernen Beine seines Stuhles verdächtig krachten.
»So ist das also!« flüsterte er.
Er stützte den Kopf in die Hände. Einige Minuten lang saß er fast wie leblos in dieser
Haltung.
DINO-3!
Der Versorgungstender, der in die Vergangenheit aufbrach, um dem verschollenen Vater und
dessen Flottenflaggschiff CREST III Hilfe zu bringen!
Das Unternehmen hatte sich damals zu einer Tragödie entwickelt. Als die Männer mit dem Tender
in der Vergangenheit ankamen, mußten sie feststellen, daß der Mann, dem sie Hilfe bringen
wollten, unterdessen durch die Zwischenstation Pigell einen Relativsprung um fünfhundert Jahre
nach vorn gemacht hatte.
Fünfhundert Jahre trennten sie von der Erfüllung ihres Auftrages.
Und es gab keine Möglichkeit mehr, diese Zeitspanne ebenfalls in einem Relativsprung zu
überbrücken!
Weder für die Männer der DINO-3 – noch für die der CREST III!
Fünfhundert Jahre! Nicht ein Fünftel der Zeit würden die Männer der DINO-3 überleben; sie
waren zum Tod verurteilt, ohne jemals wieder in ihre Zeit, zu Menschen ihrer Epoche oder gar zur
Erde zurückkehren zu können.
In dieser Lage faßte ein Teil der Besatzung – unter der Führung von Major Gus
Barnard – den Entschluß, die fünfhundert jährige Wartezeit, die ihrer Meinung nach bis zur
Entdeckung der DINO-3 vergehen würde, durch einen genau berechneten Dilatationsflug zu
überbrücken. Sie brach mit dem 60-Meter-Beiboot GOOD HOPE auf, um sich 250 Lichtjahre von dem
Flottentender zu entfernen und dann die gleiche Strecke wieder zurückzufliegen.
Niemand hatte seitdem wieder etwas von ihnen gehört.
Sie waren verschollen – vor 52.432 Jahren, wenn man die Maßstäbe der Relativverschiebung
anlegte.
Und nun tauchte plötzlich ein Bild jener Männer auf!
Ein Original-Farbfoto von Captain Rog Fanther und ein Plastikstreifen mit der aufgedruckten
Botschaft: »Willkommen, Freunde. Übernehmen Sie. Anweisungen liegen auf dem Tisch. Nun, wie haben
wir das gemacht?«
Der Schluß, der sich ganz offensichtlich daraus ergab, war so ungeheuerlich, daß er sogar
Michael Rhodan, der an unkonventionelles Denken gewöhnt war und über eine außergewöhnliche
Portion schöpferische Phantasie verfügte, zutiefst erschütterte.
Er senkte die Hände auf die Tischplatte und hob den Kopf.
»Mein Gott!«
Sein jungenhafter Übermut, seine zur Schau getragene Unbekümmertheit und sein oberflächliches
Benehmen – all das war
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