Silberband 065 - Die Altmutanten
müssen meine Befehle widerstandslos befolgen, Onacro! Sie sollen lediglich acht Menschen in der Retorte erschaffen – und zwar sieben Männer und eine Frau.«
»Das gefällt mir nicht«, murmelte Vauw Onacro.
Alaska hielt den Atem an. Mit seiner seltsamen und unverständlichen Anordnung hatte Ribald Corello den ersten schwerwiegenden Fehler begangen. Wenn Onacro bis jetzt noch nicht argwöhnisch geworden war, jetzt mußte er es sein.
Alaska beobachtete Corellos Reaktion. Der Supermutant zeigte keine Anzeichen einer psychischen Auflehnung; seine Bewegungen waren beherrscht, er verhielt sich ruhig. Daraus schloß Alaska, daß Corellos Beherrscher diesen Lapsus ganz bewußt begangen hatten. Allem Anschein nach gehörte es in ihre Pläne, und sie hatten gar keine andere Wahl, als auf der Erschaffung von ausgerechnet acht Retortenmenschen zu bestehen.
Als Alaska zu dieser Schlußfolgerung kam, war er noch verwirrter als zuvor. Was hatten Corellos Beherrscher mit den Normalsynthos vor?
Vauw Onacro zitterte vor Erregung, als er fragte: »Was hat sich das militärische Oberkommando dabei gedacht, als es diesen Testversuch vorschlug? Welches Ergebnis soll dieser Test erbringen?«
Der Biogenetiker bemerkte Corellos Zögern und erwartete eine scharfe Zurechtweisung. Aber zu seiner Verwunderung antwortete der Mutant ruhig:
»Unter anderem wird uns der Test zeigen, wie gut das Material Ihrer Keimbank ist. Sie werden sicherlich einsehen, Onacro, daß wir nicht auf gut Glück ein Heer von Menschen erschaffen können. Was ist, wenn sich herausstellt, daß die genaktivierten Zellverbände durch die lange Lagerung Schaden genommen haben? Wenn wir probeweise acht Normalsynthos erschaffen und sich herausstellt, daß es sich um Fehlmutationen handelt, können wir sie leicht kontrollieren. Wenn wir aber Tausende solcher fehlentwickelten Geschöpfe erschaffen, werden sie uns womöglich überrennen. Vergessen Sie nicht, daß es sich um Menschen handelt, die, auch wenn sie biologische Schäden haben sollten, ein Recht auf Leben haben. Es wäre Mord, sie nach der Erschaffung zu töten!«
Vauw Onacro lächelte schwach. »Das sind keine Argumente, Corello«, sagte er. »Kommen Sie mit, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Der Biogenetiker verließ das Pult mit der Erweckungsschaltung und ging auf die gegenüberliegende Wand der fünfzig Meter durchmessenden Hauptschaltzentrale zu. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, daß Corello und Saedelaere ihm folgten. Doch während der zwergenhafte Mutant mit dem überdimensionalen Kopf gelassen in seinem Tragerobot saß und sich von diesem befördern ließ, schien der Maskenträger Schwierigkeiten mit der Fortbewegung zu haben. Als Onacro kurz in seine Richtung blickte, zuckten Lichtblitze unter seiner Maske hervor; er bewegte seine Beine so steif und hölzern, als wären sie gelähmt, sein Körper schwankte von einer Seite zur anderen, und seine Arme ruderten ungelenk durch die Luft.
Nach wenigen Schritten wurden Saedelaeres Bewegungen jedoch geschmeidiger, bis sie schließlich völlig normal wirkten.
Niemand, der seinen Körper beherrscht, bewegt sich so! durchzuckte es Onacro. Aber er ließ sich nichts anmerken. Wenn er mit seinen Vermutungen recht hatte, dann war es lebensnotwendig, sie für sich zu behalten.
Er blieb vor der Schaltwand stehen und wartete, bis Corello ihn erreicht hatte. Dann erst schickte er sich an, die Instrumente zu bedienen.
»Was tun Sie da?« herrschte Corello ihn an. Ohne daß er mit den Händen eine Funktion ausgelöst hätte, schnellten die beiden Gelenkarme des Tragerobots vor und umfaßten Onacros Hände mit stählernem Griff.
»Ich möchte Ihnen nur demonstrieren, daß Ihre Befürchtungen grundlos sind«, begründete Onacro. Er wartete geduldig, bis Corello durch einen Gehirnimpuls an seine SERT-Haube den Griff der Roboterarme von seinem Handgelenk löste, dann ließ er seine schlanken Finger wie ein Virtuose über die Tastatur gleiten.
Dazu erklärte er: »Von hier aus kann ich den Zustand aller 1,9 Milliarden Keimzellen der genaktivierten Zellbank überprüfen. Jeden einzelnen Träger menschlichen Lebens kann ich auf seine biologische Qualität prüfen! Es ist also gar nicht nötig, die vierwöchige Entwicklungszeit vom befruchteten Ei zum lebensfähigen Kleinkind abzuwarten. Wenn eine der Keimzellen Schäden in sich trägt, die sich bei dem voll entwickelten Normalsyntho nachteilig auswirken würden, dann kann ich das jetzt schon feststellen. Passen Sie
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